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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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andere Reichtümer winkten als Kriegsbeute.
    Dies bestätigte König Ludwig, der ihn aus schmalen Augen anblickte. »Wenn du mich nicht verrätst«, wandte er sich an Arvid, »wenn du mir zur Flucht verhilfst und mich sicher durch den Wald von Touque bringst, werde ich mich erkenntlich zeigen. Wir müssen die Seine erreichen – dort gibt es viele Inseln, und auf einer dieser Insel habe ich einen Besitz, wo ich mich verstecken kann. Ich stehe zu meinem Wort.«
    Arvids Gesicht blieb ausdruckslos. Als er Ludwig am Morgen an der Seite von Bernhard dem Dänen zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er keine Ähnlichkeiten entdeckt – nun jedoch fühlte er sich von den blauen Augen und dem feinen Haar an Gisla erinnert, seine leibliche Mutter und König Ludwigs Halbschwester, die der am liebsten ebenso unbarmherzig aus dem Weg hätte räumen lassen wollen wie ihn, Arvid, seinen Neffen. Welch Irrwitz des Lebens, dass Ludwig ausgerechnet ihn um Hilfe anflehte!
    Wieder schien sein Blut eisig kalt durch die Adern zu fließen, doch diesmal war es nicht Gleichgültigkeit, die es gefrieren ließ, sondern Hass.
    »Ich begleite Euch«, erklärte Arvid, »ich verrate Euch nicht.«
    Er traf eine Entscheidung. Er würde ihn tatsächlich nicht verraten. Er würde sich rächen, König Ludwig töten und solcherart den Teil seiner Seele, der vom Wahnsinn, der Gier, der Gewalt seines Vaters kündete, füttern, auf dass dieser ein für alle Mal gesättigt und die Normandie ein für alle Mal vor ihrem gefährlichsten Nachbarn sicher wäre. Er musste nur die Gelegenheit abwarten, die Waffe des normannischen Kriegers an sich zu bringen – und zu diesem Zweck mussten ihm dieser und der König vertrauen.
    Johan hatte Arvid schon vor längerer Zeit in der Ferne erblickt, aber zunächst ließ er sich nicht vom Schlachtfeld fortlocken. Er stieg über die Toten hinweg und hielt wie viele seinesgleichen nach Schätzen und Waffen Ausschau, die diese bei sich trugen – goldene Insignien, Harnische, Messer, Dolche und Schwerter, die eine oder andere Münze. Jedes Mal, wenn er Kostbarkeiten an sich raffte, überwog der Triumph des Schatzsuchers kurz seinen Ekel. Nicht die vielen Toten und das viele Blut verursachten diesen Ekel, sondern die Blicke derer, die noch nicht tot waren, die in der Mittagssonne langsam verreckten. Sie wirkten resigniert, traurig und hoffnungslos und die Aussicht, selbst auf dieser Welt weiterleben zu dürfen, wurde ihm verleidet, da er von diesen Blicken gemessen wurde.
    Doch der Krieg, sagte Johan sich immer wieder, ist nun mal ein Geschäft, aus dem nicht alle als Gewinner hervorgehen. Und das Bewusstsein, schon beim nächsten Mal zu den Verlierern zählen zu können, stachelte seine Gier an, die selbst jetzt noch nicht gesättigt war, da er zwei Schwerter, ein Kettenhemd, einen breiten Gürtel und feste Stiefel an sich gebracht hatte. Als er keine Hand mehr freihatte, um noch mehr Tote zu berauben, fiel sein Blick erneut auf Arvid.
    Was hatte der Mönch auf dem Schlachtfeld verloren?
    Obwohl erschöpft vom Kampf, brach sich die Rachsucht erneut bei Johan Bahn. Dieser Mann hatte ihm Mathilda gestohlen, und er hatte ihn damals dennoch vor den Männern Rudolf Tortas retten müssen. Mit Freuden hätte er zugesehen, wie man ihn zu Tode folterte, doch in Begleitung seiner Männer, die nichts so sehr hassten wie die Franken, hatte er einen Nordmann nicht im Stich lassen können.
    Eigentlich wirkte Arvid nicht wie ein Nordmann. Er war hier geboren worden, nicht im kalten Dänemark. Er wusste nicht, wie man dort fror und hungerte, wie sehr man sich dort sehnte – nach eigenem Land und einer Frau, die …
    Johan stutzte. Warum unterhielt sich Arvid so angeregt mit einem Franken? Warum machte er gar Anstalten, an dessen Seite fortzureiten?
    Johan hatte ihn immer verachtet, weil er ein Mönch war, nun erboste es ihn noch mehr, dass er diese Rolle ablegte, gleich so, als könnte man frei wählen, wer man war und sein wollte. Ihm war das auch nicht erlaubt gewesen, er war in dieses Land gekommen, weil sein Vater, nicht er selbst es so entschieden hatte. Und beim Trachten, das Beste daraus zu machen, war er oft gescheitert. Schlimm genug, dass Menschen wie Arvid, Mathilda und der alte Graf Wilhelm die Ordnung der Welt einfach auf den Kopf stellten, noch empörender war, sie nach Lust und Laune wieder geradezurücken, als wäre alles ein Spiel, in dem man seine Züge entgegen jeder Regel machen, ja, diese Regeln mit jedem Spielzug neu

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