Kinder des Feuers
zerstört, die Schwestern ermordet. Ich konnte sie retten und sorgte für sie.«
Er hoffte, dass Bruder Dadon die Röte entging, die sich auf seine Wangen schlich – bekundend, dass er sie nicht nur umsorgt hatte … sondern umarmt, geküsst, begehrt.
»Saint-Ambrose zerstört? Von wem?«
Arvid zuckte die Schultern. »Es war eine Bande Nordmänner«, sagte er und hoffte, dass diese Lüge eine lässliche Sünde war. Schließlich wusste er nicht genau, wer jene Männer waren, und ob es nun Heiden aus der Bretagne waren oder aus noch nördlicheren Ländern, ob König Ludwig sie auf ihn gehetzt hatte oder ein anderer auf Mathilda, änderte nichts an der Grausamkeit ihrer Taten.
»Und sie ist eine Novizin, sagst du?«
»Ja. Sie überlebte als Einzige. Wir sind durch den Wald geflohen, ich konnte sie nicht einfach zurücklassen.«
Seine Stimme zitterte so verräterisch wie die eines Sünders, der seinen Frevel zu vertuschen sucht. Von Bruder Dadons argwöhnischem Blick fühlte er sich ertappt und entblößt, und um dessen Misstrauen nicht auch noch zu schüren, raunte er ihm übereifrig zu: »Ich habe lange genug für sie Sorge getragen, nun müssen wir sie irgendwie … loswerden, ehe wir nach Jumièges aufbrechen. Nur schade, dass es hier kein Nonnenkloster gibt, um sie unterzubringen.«
»Soll sie doch zu ihrer Familie zurückkehren!«, schlug Bruder Dadon unwirsch vor.
»Sie weiß nicht, wer ihre Familie ist, sie lebt im Kloster, seit sie ein kleines Kind ist. Wie hoch ihre Mitgift damals war, kann ich nicht sagen – in jedem Fall ist sie jetzt mittellos.«
»Und sonst weißt du nichts von ihr?«
»Die Äbtissin von Saint-Ambrose hielt offenbar große Stücke auf sie.«
»Aber die Äbtissin ist tot …«, murmelte Bruder Dadon nachdenklich.
Kurz versetzte der Gedanke an Gisla, seine leibliche Mutter, Arvid einen schmerzlichen Stich. Aber er unterdrückte die Trauer. Es zählte nicht, es durfte nichts zählen. Im Wald hatten ihn Kälte und Hunger und Todesangst so zermürbt, dass er sich dunkler Gedanken nicht erwehren konnte. Aber in Dadons Angesicht war er kein ums Leben kämpfender Flüchtling. Er war wieder Bruder Arvid, der sich nicht an sein irdisches Leben krallte, sondern es Gott schenkte.
»Sie stammt wohl von Bretonen ab«, sagte er schnell, verwundert, dass er sich wie ein Verräter wähnte, weil er etwas behauptete, was Mathilda selbst nur vage ahnte. Doch es schien der rechte Einfall gewesen zu sein.
»Dann habe ich eine Idee, wie du sie loswerden kannst«, sagte Bruder Dadon schnell. Ungewohnt vertraulich beugte er sich näher. »Und ich verspreche dir auch – ich werde dem Abt nichts von ihr erzählen.«
Arvid runzelte die Stirn, wollte schon sagen, dass man nicht verschweigen müsste, was doch nicht verboten gewesen war. Aber er fürchtete, dass seine Stimme erneut verräterisch zittern würde.
»Wohin sollen wir sie bringen?«, fragte er.
»Weißt du, wer Sprota ist?«, gab Dadon zurück.
Arvid war verblüfft, dass Bruder Dadon diesen Namen in den Mund zu nehmen wagte. Sprota war keine Frau, von der Mönche sprachen.
»Sprota ist die Mutter von Graf Wilhelms unehelichem, gleichwohl rechtmäßig anerkanntem Sohn Richard«, sagte er. »Sie lebt mit ihrem Kind in Fécamp. Hier stand die Garnison stets treu zu Wilhelm, und sollte ihr Leben jemals von einem Aufstand bedroht sein, könnte sie auf einem Schiff nach England fliehen.«
»Sprota ist nicht nur Wilhelms Konkubine«, sprach Bruder Dadon ganz leichtfertig ein Wort aus, das ihm wohl noch nicht oft im Leben über die Lippen gekommen war. »Vor allem ist sie Bretonin.«
Er sah Arvid vielsagend an, und jener ahnte, worauf der Mönch hinauswollte. Er zweifelte, dass es glücken könnte. Und noch mehr zweifelte er, dass es richtig war, Mathilda mit einer Frau diesen Rufs zusammenzubringen.
Aber Bruder Dadon nickte entschlossen, und ob es Müdigkeit war oder leichte Trunkenheit, tiefe Scham oder einfach nur Bequemlichkeit – er war froh, nicht selbst entscheiden zu müssen, sondern dem so viel älteren Mönch die Führung zu überlassen.
Mathilda hatte keine Ahnung, wohin sie gingen, aber sie fragte nicht. Arvid hatte ihr erklärt, dass nun alles gut werde, und er wirkte so erleichtert, weil er dem Mitbruder begegnet war, dass sie ihm glaubte. Jener fremde Mönch war nicht sonderlich freundlich, hatte sie nur griesgrämig gemustert, aber trotz allem war er ein Mönch, ein Mann Gottes, und sie fühlte sich an seiner Seite in
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