Kinder des Feuers
Sicherheit.
Vor ihnen ragte nun ein steinernes Haus mit einem großen Tor auf, und einige Männer traten ihnen daraus entgegen – groß und breitschultrig allesamt, die meisten blond, was sie als Nordmänner auswies, und obendrein bewaffnet: mit Schwertern, Schilden, Messern, einer sogar mit Pfeil und Bogen. Erst vor kurzem hatte Mathilda gesehen, wie unter solchen Waffen unschuldige Frauen fielen.
Als die Männer Bruder Dadon erkannten, wichen sie zur Seite und ließen ihn das Tor passieren. Mathilda verharrte zögernd.
»Nun komm mit!«, herrschte er sie ungeduldig an und winkte ihr, ihm zu folgen.
Es war das erste Mal, dass er direkt das Wort an sie richtete. Mit geducktem Kopf ging sie an den Bewaffneten vorbei, folgte ihm durch das Tor in einen Innenhof. An das Haupthaus schloss sich ein Gebäude an, das aussah wie eine Vorratskammer, ein weiteres schien eine Art Werkstatt zu sein, daneben lagen die Wirtschaftsräume, und zuletzt entdeckte Mathilda eine Kapelle. Kurz regte sich in ihr die Hoffnung, in einem Kloster zu sein, aber in der Mitte des Hofes um ein Feuer saßen noch mehr bewaffnete Männer. Sie brieten Fleisch. Als der Mönch sie anwies, hier zu warten, hielt Mathilda suchend nach Arvid Ausschau, aber er war ihnen nicht durch das Tor gefolgt.
»Arvid?«, rief sie.
Keine Antwort.
Gern hätte sie noch einmal seinen Namen gerufen, doch als die Krieger ihren Kopf hoben und sie musterten, verstummte sie. Sie wähnte sich verloren wie nie, aber unterdrückte das Verlangen zu fliehen. Der Mönch hatte sich gewiss etwas dabei gedacht, sie ausgerechnet hierher zu bringen, und sie hatte in den letzten Tagen so vielen Gefahren getrotzt, dass sie den aufdringlichen Blicken der Männer ebenso standhalten konnte wie der Einsamkeit.
Um sich abzulenken, nahm sie die verschiedenen Gebäude genauer in Augenschein, sah nun hinter einem Fenster einen Eisenschmied hämmern und in einem weiteren drei Männer, die schwere Eichenfässer rollten. Nicht nur der Duft des gebratenen Fleisches stieg ihr in die Nase, sondern auch der nach frisch gebackenem Brot. Dann nahm sie den würzigen Geruch von Pferdeäpfeln wahr – der Beweis, dass sich an Werkstätten, Wirtschaftsträumen und Lagerhallen auch ein Stall anschloss. Und wo so viele Männer zusammenkamen, die reich genug waren, sich Waffen und Pferde zu leisten, Fleisch und frisches Brot, gab es sicher einen Festsaal.
»Mathilda?«, erklang plötzlich ihr Name. Sie fuhr herum. Weder hatte Arvid sie gerufen noch der Mönch, wie sie zunächst erwartet hatte, sondern eine Frau. Sie trat ihr mit der aufrechten, stolzen Haltung einer entgegen, die sich hier zu Hause fühlte und nicht zur Dienerschaft zählte, sondern vielmehr gewohnt war, dieser zu befehlen. »Du bist Mathilda?«
Sie erstarrte. Die Fremde, die sie aus wachen Augen musterte, kannte nicht nur ihren Namen, sondern hatte in einer Sprache zu ihr gesprochen, die ihr zugleich fremd wie vertraut war. Bretonisch.
Unwillkürlich kreuzte Mathilda ihre Arme vor der Brust. Fragen lagen ihr auf der Zunge, unendlich viele Fragen. Wer die andere sei, wo sie hier war, wohin Arvid verschwunden war, doch das Einzige, was sie hervorbrachte, war: »Ich möchte in ein Kloster.«
Sie sagte es, als könnte sie allein kraft ihrer Worte eine Mauer zwischen sich und dieser Frau errichten, obwohl von dieser zwar kein Ungemach zu drohen schien. Ihr Blick war freundlich, die Züge ebenmäßig, die Kleidung gepflegt – aber sie redete in der Sprache, die Mathilda nicht kennen wollte, die sie, das ging ihr plötzlich durch den Kopf, nicht kennen durfte .
Doch ehe die andere noch mehr auf Bretonisch zu ihr sagte, ertönte Gelächter. Eine zweite Frau kam aus dem Haupthaus in den Hof. Ihr Blick war nicht warm, sondern spöttisch, und sie musterte Mathilda nicht freundlich, sondern aufdringlich. Immerhin sprach sie Fränkisch, als sie ausstieß: »Das hier ist gewiss kein Kloster.«
Mathilda wich ihrem Blick aus. Wer waren diese Frauen? Und wo war Arvid?
»Nun spotte nicht über sie, Gerloc«, meinte die Freundliche, die nun ebenfalls die fränkische Sprache benutzte, wenngleich mit starkem Akzent. »Du hast doch gehört, was sie durchgemacht hat.«
»Gewiss, aber ich verstehe nicht, warum Bruder Dadon glaubt, du schuldest ihm einen Gefallen. Für gewöhnlich gehört er zu den Männern, die sich weigern, gemeinsam mit dir in einem Raum zu sein, geschweige denn, auch nur einen Gruß an dich zu richten.«
»Nun, er hat sich auf
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