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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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wir stärker sind und Waffen haben. Gegen verräterisches Knacken, gegen die hohen Schatten der Bäume, gegen lautloses Moos lässt sich nicht einfach das Schwert erheben.«
    Er hätte es gern gekonnt! Er hätte vor lauter Wut am liebsten eigenhändig sämtliche Bäume niedergeschlagen und Büsche zertrampelt, sodass vom Wald nur eine nackte Ödnis blieb.
    »Ich glaube, sie haben den Wald längst verlassen«, sagte der junge Mann – beim Eingestehen des Scheiterns so eifrig wie in seinem Trachten, sich als tapfer zu erweisen. »Nicht mehr lange, und sie werden Fécamp erreichen. Und dorthin können wir ihnen nicht folgen, wir würden auffallen.«
    Halt’s Maul, dachte Hasculf, griff unwillkürlich nach dem Knauf seines Schwerts und umklammerte ihn. Kurz beschwichtigte ihn das, hielt ihm dann aber erst recht vor Augen, dass er zu lange nicht getötet hatte, sich zu lange nicht jenem blinden Wüten überlassen, das den Kopf so angenehm leer machte. Seiner quoll über vor anstrengenden Gedanken.
    »Das weiß ich selbst«, knurrte er.
    Abschätzend verzog der junge Mann seinen Mund. »Hawisa wird das nicht gefallen.«
    Hasculf fühlte die lauernden Blicke seiner Männer auf sich ruhen und ahnte, dass es auch ihnen nicht gefiel, von einem Schwächling angeführt zu werden, der sich von einem Weib und einem Mönch überlisten ließ. Die Schmach war zu groß, um sie zu schlucken. Wie ist es möglich, haderte er, dass Mathilda so schnell laufen kann? Trug sie nicht auch ein Kleid aus Eis wie er und war darunter erstarrt? Wie hatte sie sich ihre Wendigkeit bewahren können?
    Er fühlte sich steif und alt – so viel älter als jener eifrige junge Mann, der es immer noch wagte, ihm offen ins Gesicht zu sehen.
    Hasculf umklammerte den Knauf des Schwertes noch fester. Zum Töten war er weder zu steif noch zu alt. Er zog sein Schwert, durchschnitt erst die Luft und schlug dann dem jungen Mann den Kopf ab. Es ging so schnell, dass der nicht einmal schreien konnte. Das einzige Geräusch, das sein Tod erzeugte, war das dumpfe Poltern, als der Kopf auf den Boden fiel, und dann ein zweites, als der restliche Körper niedersackte. Der junge Mann hatte den Hieb nicht erwartet, ja, nicht einmal kommen sehen. In den weit aufgerissenen, aber erstarrten Augen stand keinerlei Entsetzen oder Todesangst, nur dieser Übereifer.
    Hasculf starrte auf ihn herab. Nun war der Mann nicht mehr jünger als er, sondern nur tot. Nun würde er nie erfahren, wie er hieß.
    Er musterte seine Männer, die ihren Blick rasch senkten. »Hat noch jemand Lust, etwas zu sagen?«
    Blut troff von seinem Schwert, als er über den Enthaupteten hinwegstieg.
    »Gut«, sagte er in das Schweigen. »Dann lasst uns in die Bretagne zurückkehren.«
    Er war nicht mehr derselbe wie der, als der er einst von hier fortgegangen war, um Mönch in Jumièges zu werden. In Fécamp war er als Sohn einer Normannin, Runa, und eines Franken, Taurin, groß geworden – zurück kehrte er mit dem Wissen, dass es in Wirklichkeit umgekehrt war: Seine Mutter war eine Fränkin gewesen – sogar eine Prinzessin – und sein Vater Thure einer jener Barbaren aus dem Norden, die Feuer und Tod brachten.
    Arvid fühlte sich fremd in seiner eigenen Haut, während die Stadt ihm noch vertraut, wenngleich keine echte Heimat war. Immerhin ein Ort voller Menschen, an dem er nicht länger mit Mathilda allein sein musste und wo der Tumult, in den sie gerieten, lauter tönte als der Aufruhr seiner Gefühle, in den ihn zuerst der Kuss, dann das fortwährende Schweigen gestoßen hatte.
    Er wusste nicht, welcher Wochentag angebrochen war – es musste Mittwoch oder Freitag sein, denn die Menschen strömten zum Markt.
    Mathilda und Arvid betraten die Stadt am Meer durch das große Tor, das tagsüber geöffnet war, des Nachts hingegen den Wall, der, wie bei den Nordmännern Sitte, um die Stadt gebaut worden war, verschlossen hielt. Nur kurz konnte der junge Mönch einen Blick auf Hafen, Meer und Schiffe werfen, dann befanden sie sich schon im Gemenge von Menschen – Bettlern in stinkende Lumpen gekleidet ebenso wie reichen Kaufmannsleuten mit rot umbordeten Fuchspelzen und funkelnden, schweren Handreifen.
    Sie drängten sich an hölzernen Buden und Ständen vorbei, an denen Handwerker laut schreiend Waren feilboten – Grob- und Waffenschmiede, Bronzegießer und Kammhersteller, Bernsteinschleifer und Perlenmacher, Schuster und Schiffszimmerleute. Äxte und Feilen wurden ebenso angepriesen wie Stoffe und Wein

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