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Kinder des Feuers

Kinder des Feuers

Titel: Kinder des Feuers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Kröhn
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sie.
    Arvid senkte rasch den Blick und lief ein Stück voran.
    »Gibt es hier nun ein Frauenkloster?«
    »Ich weiß nur von einem Männerkloster. Die Mönche dort errichten gerade eine Kirche, wo die Ampulle des heiligen Blutes Christi aufbewahrt werden soll, die hier einst wundersamerweise in einem Feigenbaum angespült worden ist. Graf Wilhelm selbst hat den Bau der Kirche gefordert.«
    Er blickte sich suchend um – von einer Klosterkirche war nichts zu sehen, nur in der Ferne die Burg von Fécamp, wo Wilhelm residierte, wenn er sich in der Stadt aufhielt. Männer schleppten Steine zu einem halb fertigen Turm, Sklaven wahrscheinlich, wie die geschundenen, halb nackten Glieder und die ausdruckslosen Gesichter verrieten. Einst hatten Nordmänner Franken versklavt – später Franken und christliche Nordmänner jene Heiden aus dem Norden, die das Land dann und wann überfielen und sich weigerten, den einzig wahren Glauben anzunehmen.
    »Wohin soll ich nun?«, fragte Mathilda. »Was … was wird mit mir geschehen?«
    Arvid wandte sich von der Burg ab und sah sich um, als würde er sich, wenn er dies nur lange genug tat, dem beschämenden Bekenntnis, es auch nicht zu wissen, enthalten können und alles zum Guten wenden. Zu seinem Erstaunen passierte das tatsächlich. Jenes Wunder, auf das er nicht zu hoffen gewagt hatte, trat ein.
    Glück durchströmte ihn fast so heiß wie der Cidre, als er in das vertraute Gesicht blickte – dass dieses Gesicht ein verkniffenes war, war ihm vollkommen gleichgültig. Augen, Nase und Mund standen so dicht beisammen, dass es aussah, als hätte irgendjemand einst den Kopf dieses Mannes zusammengepresst. In Jumièges wurde über den Mitbruder häufig gespottet und gelacht. Heute lachte Arvid nicht, heute ließ er Mathilda stehen und stürzte auf ihn zu.
    »Gelobt sei Jesus Christus! Bruder Dadon!«
    Obwohl seinem Rang nach nur Novize, hatte Arvid älteren Brüdern nie übermäßigen Respekt gezollt – dergleichen hatte er als Kind weder von Runa noch von Taurin, die beide sehr selbstbewusste und eigenwillige Menschen waren, gelernt. Jetzt hätte er sich am liebsten auf den Boden gekniet, um Bruder Dadons Füße zu küssen. Nicht länger war er von Fremden umgeben, es gab hier einen, der ihn kannte und aller Welt bekunden konnte, dass er ein künftiger Mönch war, kein stinkender Bettler.
    »Arvid!« Das Gesicht blieb verkniffen, aber in den Augen leuchtete es kurz auf – ein Zeichen der Freude oder vielleicht einfach nur der Verwunderung, ihn lebend zu sehen, und das obendrein in Fécamp. »Was machst du hier?«
    Arvid rang nach Worten. Als die Männer König Ludwigs aufgetaucht waren und ihm nach dem Leben getrachtet hatten, war er überstürzt aus Jumièges geflüchtet, ohne sich dem Abt oder den Mitbrüdern zu erklären.
    »Das ist eine lange Geschichte«, sagte er schnell. »Ich war in großer Gefahr … ich bin es noch … ich muss so schnell wie möglich mit dem Abt sprechen. Ich …«
    Er überlegte, wie viel er noch verraten durfte, doch Bruder Dadon stellte ohnehin keine Fragen. Er war für seine Menschenscheu bekannt, und mehr als einmal hatte er laut verkündet, dass er Geheimnisse anderer lieber erst gar nicht kennen wollte, schon gar keine finsteren. Der Mönch brachte Arvid mit einer knappen Handbewegung zum Schweigen.
    »Ich wollte noch heute nach Jumièges zurückkehren, die letzten Tage war ich bei unseren Mitbrüdern, die hier in Fécamp wie wir nach der Regel des heiligen Benedikt leben.«
    Arvid konnte sich denken, was er von diesen gewollt hatte. Jumièges, einst eines der größten und stolzesten Klöster des Frankenreichs, lag immer noch zum großen Teil in Trümmern, und es gab zu wenige Mönche, vor allem junge und kräftige, die es wieder aufbauen konnten. Das Kloster in Fécamp half manchmal aus, indem es Novizen sandte oder Geld gab.
    »Wir können gleich aufbrechen«, fügte Bruder Dadon hinzu.
    Kurz war Arvid so erleichtert, dass er ihm am liebsten gefolgt wäre, ohne sich auch nur noch einmal umzudrehen – in Gegenwart des vertrauten Mitbruders hoffte er, die letzten Tage hinter sich lassen zu können wie einen dunklen Traum. Doch dann nahm er aus seinem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Mathilda hielt zwar Distanz, aber starrte sie beide neugierig an. Bruder Dadon war dieser Blick nicht entgangen, und er erwiderte ihn misstrauisch.
    »Das ist Mathilda, eine Novizin aus Saint-Ambrose«, flüsterte Arvid ihm zu. »Das Kloster wurde überfallen und

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