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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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gelehrtem Stil dahergeredet; er war keineswegs ein kompletter Ignorant gewesen, wie man sie damals in Käffern im Süden der Vereinigten Staaten hatte krakeelen hören und randalieren sehen können. Nein, Bluthgeld hatte sich auf überlegene, gebildete, professorenhafte, gründlich durchdachte Art und Weise ausgelassen. Und doch war sein Gerede letzten Endes nicht weniger verrückt, nicht vernünftiger oder sachverständiger gewesen als das besoffene Gelaber des Säufers und Weiberhelden Joe MacCarthy oder irgendeines anderen seines Schlages.
    Tatsächlich hatte Mr. Austurias während seiner Studienzeit Joe MacCarthy einmal kennengelernt und eigentlich ganz nett gefunden. Bruno Bluthgeld dagegen, dessen Bekanntschaft Mr. Austurias damals ebenfalls gemacht hatte, war ihm nicht im geringsten sympathisch gewesen, und ihre Bekanntschaft war im weiteren nicht nur flüchtig verlaufen. Er und Bluthgeld waren beide zur gleichen Zeit an der Universität von Kalifornien tätig gewesen, hatten dem Lehrkörper angehört, Bluthgeld allerdings bereits als vollauf etablierter Dozent und Leiter einer eigenen Abteilung, Austurias jedoch lediglich als Tutor. Aber sie waren aufeinandergeprallt und hatten sich gestritten, sowohl privat – nach Vorlesungen im Korridor – wie auch in aller Öffentlichkeit. Und am Ende hatte Bluthgeld Mr. Austurias' Hinauswurf betrieben.
    Das war ohne weiteres zu machen gewesen, weil Mr. Austurias so gut wie alle kleineren studentischen Gruppen unterstützt hatte, die für Frieden mit der Sowjetunion und China und ähnliche Ziele eintraten, und darüber hinaus hatte er sich gegen Atombombenversuche ausgesprochen, während Dr. Bluthgeld solche Tests sogar nach der 1972er Katastrophe noch befürwortete. Gerade den Atomtest von 1972 hatte Mr. Austurias besonders scharf verurteilt und ihn ein Beispiel psychotischer Denkweisen auf höchster Ebene genannt ... eine Bemerkung, die direkt Bluthgeld galt, und zweifelsfrei war sie von Bluthgeld auch nicht anders aufgefaßt worden.
    Wer den Kopf in den Rachen des Löwen steckt, dachte Mr. Austurias, der riskiert, daß er ihm abgebissen wird. Es hatte ihn nicht überrascht, hinausgeworfen zu werden, sondern ihn in seinen Ansichten bestätigt. Und wahrscheinlich war Dr. Bluthgeld, falls er sich überhaupt je über so etwas Gedanken gemacht hatte, gleichfalls noch unnachgiebiger in seiner Haltung geworden. Aber höchstwahrscheinlich hatte Bluthgeld nie wieder einen Gedanken an die Episode mit Austurias verschwendet, der damals kaum mehr als den Rang eines eher zweifelhaften jungen Tutors eingenommen haben konnte, den die Universität nach seinem unfreiwilligen Abschied nicht vermißt hatte – mit ihr war alles weiter seinen Lauf gegangen, und bestimmt ließ sich das gleiche von Bluthgeld behaupten.
    Ich muß mit Bonny Keller über den Mann reden, dachte er. Ich muß alles herausfinden, was sie über ihn weiß. Es ist leicht, sie in Gespräche zu verwickeln, also dürfte das nicht schwer sein. Und ich wüßte gerne, überlegte er des weiteren, was Stockstill mir über ihn erzählen kann. Selbst wenn er Bluthgeld nur einmal gesehen hat, dürfte er doch wohl dazu imstande sein, die Diagnose zu bestätigen, die ich gefällt habe: schizoide Paranoia.
    Aus dem Lautsprecher des Radios drang fortwährend Walt Dangerfields Stimme und las aus Des Menschen Hörigkeit vor, und allmählich begann Mr. Austurias ihm Aufmerksamkeit entgegenzubringen, wie stets in den Bann der eindringlichen Erzählweise gezogen. Das waren die Probleme, dachte er, die uns damals, in den alten Zeiten, so wichtig vorgekommen sind ... die Unfähigkeit, sich aus einer unglücklichen menschlichen Beziehung zu lösen. Heute sind wir um jede zwischenmenschliche Beziehung froh. Wir haben viel dazugelernt.
    Wieder einer, der es auf Bruno abgesehen hat, dachte Bonny Keller, die gar nicht weit von dem Lehrer saß. Noch einer, der ihm die Schuld gibt, ihn zum Sündenbock für das abstempelt, was passiert ist. Als könnte ein einzelner Mann, selbst wenn er es wollte, einen Weltkrieg einleiten und den Tod von Millionen verursachen.
    Durch mich wirst du ihn nicht finden, dachte sie. Ich könnte dir erheblich helfen, aber ich werde es nicht tun, Mr. Austurias. Also trollen Sie sich wieder zu Ihrem kleinen Stapel Bücher ohne Umschläge, gehen Sie weiter Pilzesammeln. Vergessen Sie Bruno Bluthgeld – oder vielmehr Mr. Tree, wie er sich jetzt nennt. Wie er sich seit dem Tag vor sieben Jahren nennt, als die Bomben zu

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