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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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fallen begannen und er inmitten von Schutt und Trümmern durch die Straßen Berkeleys lief, zu begreifen außerstande, was da geschah, so wenig wie all wir anderen es verstehen konnten.

    5

    Bruno Bluthgeld durchquerte die Oxford Street, den Mantel überm Arm, und betrat das Gelände der Universität von Kalifornien; er ging in gebeugter Haltung und schaute weder nach links noch rechts; er kannte den Weg gut und legte keinen Wert darauf, die Studenten, die jungen Menschen, näher zu betrachten. Er interessierte sich nicht für die Autos, die vorbeifuhren, und nicht für die vielfach neuen Gebäude. Er sah die ganze Stadt Berkeley nicht, denn er hegte an ihr keinerlei Interesse. Er dachte nach, und er hatte nunmehr den Eindruck, sich vollauf darüber im klaren geworden zu sein, was ihn so krank machte. Er bezweifelte keineswegs, daß er krank war; er fühlte sich krank bis in die Knochen; es kam nur darauf an, den Ursprung seiner Verseuchtheit aufzudecken.
    Sie drang von außen auf ihn ein, diese Krankheit, war seine Überlegung, diese greuliche Verseuchung, die ihn zuletzt dazu verleitet hatte, wahrhaftig diesen Psychiater aufzusuchen. Besaß Dr. Stockstill aufgrund des heutigen ersten Besuchs eine haltbare Theorie? Daran wiederum zweifelte Bruno Bluthgeld entschieden.
    Doch dann, während er dahinschritt, fiel ihm auf, daß sämtliche Querstraßen zur Linken schief wirkten, als versänke die Stadt an dieser Seite, sacke langsam ab. Bluthgeld empfand gelinde Belustigung, denn diese Art von Verzerrungserscheinung war ihm längst bekannt; sie war bloß auf seinen Astigmatismus zurückzuführen, der sich stets akut verschlimmerte, wenn er unter Stress stand. Ja, wahrhaftig, er hatte sogar das Gefühl, auf einem schrägen Bürgersteig zu gehen, der zur einen Seite hin anstieg, so daß alles eine Neigung zum Wegrutschen zeigte; er bemerkte auch an sich ein Nachlassen der Standfestigkeit, und es bereitete ihm Schwierigkeiten, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er verspürte einen deutlichen Drall nach links, drohte dort hinüber ins Torkeln zu geraten, zusammen mit allen anderen Dingen hinüberzuschlittern.
    Wie wichtig doch die Sinneswahrnehmungen sind, dachte er. Es kommt nicht nur darauf an, was für Eindrücke, sondern auch darauf, wie man sie empfängt. Er lachte vor sich hin, während er den Weg fortsetzte. Mit akut verschärftem Astigmatismus ist es leicht, das Gleichgewicht zu verlieren, ermahnte er sich. Wie nachdrücklich der Gleichgewichtssinn unsere Wahrnehmung des Universums rings um uns prägt ... das Gehör ist vom Gleichgewichtsgefühl abhängig. Das Gleichgewichtsgefühl ist ein grundlegender Sinn, auf den die anderen Sinne aufbauen, ohne daß diese Tatsache uns so recht bewußt wird. Vielleicht habe ich mir eine leichte Innenohrentzündung zugezogen, oder eine Virusinfektion im Mittelohr. Sollte mal den HNO hineinschauen lassen.
    Und tatsächlich, da ging es schon los, sie – die Gleichgewichtsstörung – beeinträchtigte, wie vorausgesehen, sein Gehör. Es war faszinierend, wie Auge und Ohr zusammenwirkten, um einen einheitlichen Gesamteindruck zu erzeugen; erst war seine Sicht gestört worden, dann hatte die Störung sein Gleichgewicht betroffen, und nun war sein Gehör mit absurden Wahrnehmungen an der Reihe.
    Er hörte beim Gehen ein dumpfes dunkles Dröhnen, wie von einem Echo, das sich von seinen eigenen Schritten erhob, seinen Schuhen, die auf das Straßenpflaster traten, nicht die scharfen Klappergeräusche, wie die Schuhe einer Frau sie erzeugen, sondern einen verworrenen, tiefen Laut, ein Rumpeln, fast als ob es aus einem Bergwerk oder einer Höhle stamme.
    Das Geräusch war alles andere als angenehm; es verursachte ihm Kopfschmerzen, erfüllte seinen Schädel mit widerwärtig schmerzhaften Schwingungen. Er verlangsamte seinen Schritt, veränderte die Gangart, beobachtete seine Füße dabei, wie sie sich aufs Pflaster senkten, wie um dem Geräusch entgegenzusehen.
    Ich weiß, woher das kommt, sagte er sich. Er hatte dergleichen schon einmal erlebt, dies Widerhallen ganz normaler Geräusche im Labyrinth seiner Gehörgänge. Wie für die Verzerrung seiner Sicht gab es dafür eine einfache physiologische Erklärung, obwohl diese Erscheinungen ihm jahrelang Rätsel aufgegeben und ihn mit Furcht erfüllt hatten. Es beruhte – schlicht und einfach – auf dem Tonus des Körpers, der Muskelverkrampfung, der Verspannung des Knochenbaus, vor allem im Bereich der Schädelbasis. In der Tat konnte er

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