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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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diese Theorie überprüfen, indem er bloß den Kopf von einer zu anderen Seite drehte; er hörte die Nackenwirbel leise knacken, ein kurzes, scharfes Knackgeräusch hervorbringen, von dem sich unverzüglich äußerst schmerzhafte Schwingungen in seine Gehörgänge übertrugen.
    Ich muß heute wirklich in schwer niedergeschlagener Stimmung sein, sagte sich Bruno Bluthgeld. Denn nun setzte eine noch ernstere Veränderung seiner Sinneswahrnehmungen ein, und zwar eine, die bei ihm bisher noch nicht aufgetreten war. Eine trübe, einem Grauschleier ähnliche Verdüsterung begann sich ringsherum auf seine gesamte Umgebung zu legen, so daß die Autos und Häuser nach und nach wie leblose, unheimliche Maulwurfshügel aussahen, die aller Farbe entbehrten und keinerlei Bewegung kannten.
    Und wo waren die Menschen geblieben? Allem Anschein nach stapfte er völlig mutterseelenallein so mühselig und unter derartigen Behelligungen die Oxford Street entlang, unterwegs zu der Stelle, an der er sein Auto geparkt hatte. Waren sie (seltsamer Gedanke!) alle in die Häuser gegangen? Wie auf der Flucht vor Regen ... diesem Niederschlag aus feinen, rußigen Partikeln, der – wie es aussah – die ganze Luft durchzog und seine Atmung beeinträchtigte, seine Sicht minderte, sein Vorankommen behinderte.
    Er blieb stehen. Und sobald er stand, von einer Kreuzung aus die Nebenstraße hinunterspähte, bis dorthin, wo sie abwärts in irgendeiner Art von Finsternis aufging, dann nach rechts blickte, wo die Straße sich aufgebäumt hatte und irgendwo himmelwärts endete, als habe sie sich verbogen und sei abgebrochen, da bemerkte er zu seiner Verblüffung – und dafür fiel ihm auf Anhieb keine naheliegende physiologische Funktionsstörung ein –, daß sich überall Spalten aufgetan hatten. Die Häuser zu seiner Linken waren senkrecht geborsten. Unregelmäßige Risse klafften in ihnen, als ob die härteste der städtebaulichen Substanzen zerbräche, der Beton selbst, der die Grundmauern der Stadt bildete, aus dem die Häuser und Straßen bestanden, all die Fundamente ringsum.
    Gott im Himmel, dachte er. Was ist denn das? Er blinzelte angestrengt in den rußigen Dunst; der Himmel war nicht mehr zu sehen, nun von dem schwarzgrauen Niederschlag verhüllt.
    Und dann sah er, erkannte er inmitten all der Düsternis, zwischen den Bruchstücken aus Beton, in den Trümmern, kleine und wie geschrumpfte Umrisse: Menschen, all die Fußgänger, die vor einem Weilchen vorhanden und plötzlich verschwunden gewesen waren – jetzt waren sie wieder da, aber sahen nun alle so zusammengeschrumpelt aus, starrten ihn blicklos an, gaben keinen Ton von sich, tasteten nur mit ziellosem Gebaren umher.
    Was hat das zu bedeuten? fragte er sich nochmals, und er hörte, daß er die Frage diesmal laut aussprach: er hörte seine Stimme dumpf widerhallen. Alles ist zerstört, die Stadt ist auseinandergebrochen. Was hat sie bloß heimgesucht? Er verließ den Bürgersteig, suchte sich einen Weg durch den verstreuten Schutt Berkeleys. Es hat nichts mit mir zu tun, begriff er. Irgendeine große, schreckliche Katastrophe hat sich ereignet. Das Dröhnen, das zu allem den Hintergrund abgab, donnerte ihm nun regelrecht in die Ohren, der Ruß wirbelte umher, durch das Donnern aufgewühlt. Irgendwo erscholl eine festgeklemmte Autohupe, aber sehr weit entfernt und leise.

    Stuart McConchie stand vorn im Verkaufsraum des TV modern und verfolgte die Fernsehsendung über Walter Dangerfields und Mrs. Dangerfields Start zum Mars, da verschwand zu seiner Verblüffung das Bild von der Mattscheibe.
    »Das Bild ist weg«, sagte Lightheiser verdrossen. Regungen des Mißfallens gingen durch die Gruppe der Zuschauer. Lightheiser kaute auf seinem Zahnstocher.
    »Werden wir gleich wieder haben«, sagte Stuart und beugte sich vor, um auf ein anderes Programm umzuschalten; sämtliche Fernsehsender übertrugen das Ereignis.
    Doch er konnte kein einziges Programm hereinbekommen. Auch der Ton blieb völlig aus. Unermüdlich schaltete er immer wieder um. Ohne Erfolg.
    Aus dem Keller kam einer der beiden Fernsehtechniker nach vorn in den Laden gelaufen. »Alarmstufe Eins«, brüllte er.
    »Wie bitte?« meinte Lightheiser verdutzt, und sein Gesicht wirkte urplötzlich gealtert und kränklich; als er es sah, wußte Stuart McConchie Bescheid, ohne daß es irgendwelcher Worte bedurfte, sogar ohne daß er selbst diesbezüglich einen klaren Gedanken zu fassen brauchte. Es erübrigte sich, erst noch darüber

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