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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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gemindert worden; er war robust und verläßlich, auch jetzt noch, wogegen – diesen Eindruck hatte Andrew Gill – sich alle anderen Dinge, die gesamte übrige Welt, auf Dauer einer entsetzlichen Verwandlung unterzogen hatten.
    Es wäre ihm lieber gewesen, er hätte das alles gar nicht mitansehen müssen.
    Was wird, wenn Barbara und die Jungs tot sind? fragte er sich. Seltsamerweise ging der Gedanke mit einer Anwandlung von Erleichterung einher. Ein neues Leben beginnt, daß ich heute dieser tollen Frau begegnet bin, ist ein Beweis. Mit allem Alten ist es aus. Werden Tabak und Wein künftig nicht sehr wertvoll sein? Habe ich nicht wirklich und wahrhaftig ein Vermögen hier in diesem Bus? Ich brauche eigentlich gar nicht nach Petaluma zurück. Ich kann mich verdrücken, ohne daß Barbara je dazu in der Lage wäre, mich wieder aufzuspüren. Er empfand inneren Auftrieb und Wohlgelauntheit.
    Doch das würde heißen – und da sei Gott vor! –, daß er seine Großhandlung aufgeben müßte, und diese Vorstellung war allzu gräßlich, verbunden mit bedrohlichen Aussichten und der Furcht vor Vereinsamung. Ich kann das Geschäft unmöglich aufgeben, sah er ein. Darin stecken zwanzig Jahre allmählichen Aufbaus eines guten Kundenstamms, des aufrichtig bemühten Ergründens der Bedürfnisse der Menschen und ihres zuverlässigen Erfüllens.
    Aber es kann sein, daß all diese Menschen inzwischen tot sind, dachte er, genau wie meine Familie. Ich muß mich damit abfinden: alles hat sich verändert, nicht bloß die Dinge, die mich ohnehin nicht interessieren.
    Er fuhr langsamer, bemühte sich ernsthaft, jede Möglichkeit, die sich anbot, genau zu durchdenken, aber je mehr er nachdachte, um so wirrer liefen seine Gedankengänge ab, um so unwohler fühlte er sich. Ich glaube, dachte er zuletzt, niemand von uns wird überleben. Wahrscheinlich sind wir alle bereits der Strahlung ausgesetzt worden. Dies Zwischenspiel mit der jungen Frau kann als letztes bemerkenswertes Ereignis meines Lebens bewertet werden, und für sie gilt das gleiche – sie ist ohne Zweifel genauso verloren.
    Verdammte Scheiße nochmal, dachte er. Irgend so ein hirnrissiger Idiot im Pentagon ist dafür verantwortlich. Wir hätten eine Vorwarnfrist von zwei bis drei Stunden gebraucht, und gelassen hat man uns ... fünf Minuten. Höchstens!
    Er verspürte keine Feindschaft gegen den Gegner; er empfand lediglich Scham, hatte ein Gefühl des Verratenwordenseins. Diese militärischen Nulpen in Washington sitzen jetzt wahrscheinlich sicher und gemütlich tief drunten in ihren Betonbunkern, überlegte er, so wie damals am Ende Adolf Hitler. Und wir sind hier oben zurückgelassen worden und dürfen krepieren. Die Sache war ihm richtig peinlich; sie war einfach widerlich.
    Plötzlich bemerkte er, daß neben ihm auf dem Sitz zwei Schuhe lagen, zwei verschlissene Slipper. Sie mußten der Frau gehören. Er seufzte, fühlte sich überanstrengt. Wenigstens etwas zur Erinnerung, dachte er mit düsterem Gemüt.
    Doch da packte ihn Erregung. Das ist kein bloßes Andenken, dachte er, es ist ein Zeichen – und es besagt, daß ich hier in West Marin bleiben soll, um einen völlig neuen Anfang zu machen. Wenn ich in dieser Gegend bleibe, werde ich sie wiedersehen. Ich weiß, daß es so kommen wird. Es ist nur eine Frage der Geduld. Deshalb hat sie ihre Schuhe im Auto gelassen, sie wußte sofort, daß ich hier mein neues Leben beginnen werde, daß ich nach dem, was geschehen ist, nicht weggehen werde, nicht weg kann. Zur Hölle mit meinem Geschäft, mit Frau und Kindern, all der Vergangenheit in Petaluma. Er begann beim Fahren aus Erleichterung und Vergnügen vor sich hinzupfeifen.

    Bruno Bluthgelds Verstand hielt nun keinen Zweifel mehr für möglich; er sah, wie der unablässige Strom von Fahrzeugen ausschließlich in eine Richtung fuhr, nämlich nach Norden, zur Autobahn, die aufs flache Land führte. Berkeley hatte sich gewissermaßen in ein Sieb verwandelt, durch jedes Loch drängten Menschen aufwärts und davon, Menschen aus Oakland, San Leandro und San José; sie alle durchquerten hier die Straßen, nun zu Einbahnstraßen geworden. Es liegt nicht an mir, redete Dr. Bluthgeld sich ein, während er auf dem Gehweg stand, es ihm verwehrt war, über die Straße zu gehen, um das eigene Auto zu erreichen. Und doch, sah er ein, obwohl dies Wirklichkeit, das Ende von allem ist, die Zerstörung der Städte und die Vernichtung der Menschen auf beiden Seiten des Erdballs, trotzdem trage

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