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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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eine Erst-Hilfe-Station mit reihenweise dunkelfarbenen Zelten; er sah Frauen mit Armbinden und erkannte in ihnen Krankenschwestern. Er sah Männer mit metallenen Helmen und Gewehren. Gesetz und Ordnung am Werk, begriff er. Dank meiner Bemühungen sind sie da und dort bereits wiederhergestellt worden. Man schuldet mir eine Menge, aber natürlich ist denen das überhaupt nicht klar. Aber ich will es, beschloß er, gut sein lassen.
    Als er das erste dunkle Zelt erreichte, hielt einer der mit Gewehren bewaffneten Männer ihn auf. Ein anderer Mann kam mit einem Klemmbrett näher. Woher er komme, wollte der Mann mit dem Klemmbrett wissen.
    »Aus Berkeley«, gab er zur Antwort.

»Name?«
    »Jack Tree.«
    Der Mann schrieb den Namen auf, riß ein Kärtchen ab und händigte es ihm aus. Darauf stand eine Nummer, und die beiden Männer erläuterten ihm, er müsse die Nummer fortan immer dabei haben, denn ohne sie würde er keine Nahrungsmittelrationen zugeteilt erhalten. Danach machte man ihm klar, daß er, falls er versuchte, sich bei einer zweiten Sammelstelle Rationen zu erschleichen – oder es bereits versucht hatte –, standrechtlich erschießen werde. Dann entfernten sich die zwei Männer, ließen ihn stehen, wo er stand, in den Fingern das numerierte Kärtchen.
    Soll ich ihnen sagen, daß ich all das getan habe? überlegte er. Daß ich allein die volle Verantwortung trage und für meine abscheuliche Sünde, so etwas über die Menschen gebracht zu haben, auf ewig verdammt bin? Nein, entschied er, dann würde man mir bloß das Nummernkärtchen wieder wegnehmen und ich bekäme keine Rationen. Und er war schrecklich, schrecklich hungrig.
    Eine Krankenschwester kam zu ihm. »Erbrechen, Übelkeit«, erkundigte sie sich in sachlichem Ton, »farbliche Veränderung des Stuhls?«
    »Nein«, antwortete er.
    »Irgendwelche oberflächlichen Verbrennungen, die nicht heilen?« Er verneinte mit einem Kopfschütteln. »Gehen Sie dort hinüber«, sagte die Schwester und zeigte ihm die Richtung, die sie meinte.
    »Geben Sie Ihre Kleider ab. Man wird Sie entlausen und Ihnen die Haare schneiden, und Sie werden dort auch geimpft. Der Typhus-Impfstoff ist ausgegangen, also fragen Sie erst gar nicht danach.«
    Zu seiner Verwirrung sah er, wie ein Mann mit einem elektrischen Haarschneider, den ein Benzinmotor antrieb, Männern und Frauen die Köpfe schor; geduldig standen die Menschen an. Eine hygienische Maßnahme? fragte er sich.
    Ich dachte, ich hätte das alles wieder hingekriegt, sann er. Oder habe ich die Seuchengefahr etwa vergessen? Offenbar habe ich sie übersehen. Er ging hinüber, bestürzt darüber, nicht an alles gedacht zu haben. Ich muß eine ganze Anzahl wichtiger Dinge vergessen haben, erkannte er, als er sich hinter den Leuten anstellte, die darauf warteten, daß man ihnen die Haare stutzte.

    Im verwüsteten Beton-Erdgeschoß eines Hauses in der Cedar Street, oben in den Hügeln Berkeleys, erspähte Stuart McConchie ein fettes, graues Vieh, das von einem gesprungenen Mauerstein hinter einen anderen hüpfte. Er packte seinen am einen Ende abgebrochenen, spitzen Besenstiel und kroch nach vorn.
    »Sie wollen die doch nicht essen?« meinte Ken, der hagere, bläßliche Mann, der sich mit ihm in dem Haus befand und drauf und dran war, an Strahlungseinwirkung zu sterben.
    »Aber sicher werd ich das«, sagte Stuart und kroch durch
    den Dreck, der sich in dem offenen, kaum noch geschützten Erdgeschoß angehäuft hatte, bis er dicht vor dem gespaltenen Betonbrocken lag. Die Ratte bemerkte ihn und quietschte furchtsam. Sie war aus der Kanalisation Berkeleys gekommen und wollte wieder dorthin zurück. Doch nun befand sich Stuart zwischen ihr und den Kanälen. Muß ein Weibchen sein, dachte er. Die Männchen sind magerer.
    Die Ratte huschte voller Furcht hin und her, und Stuart bohrte ihr das spitze Ende seines Besenstiels in den Leib. Sie quietschte nochmals auf, langgezogen und gequält. Sie war aufgespießt, lebte aber noch; fortgesetzt quietschte sie. Also drückte er sie nieder, stemmte den Stiel an den Boden, und zertrat ihr den Kopf.
    »Sie können sie ja wenigstens kochen«, sagte der Sterbende, der mit ihm in dem Keller hauste.
    »Nein«, entgegnete Stuart, setzte sich hin, zückte das Taschenmesser, das er gefunden hatte – in der Hosentasche eines toten Schülers –, und machte sich daran, der Ratte das Fell abzuziehen. Während der Todgeweihte mit Mißbilligung zuschaute, verzehrte Stuart die tote, rohe Ratte.
    »Mich

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