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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Unfug glaubt.«
    Der Phokomelus wirkte betroffen. »Man weiß es eben nie genau«, sagte er gedämpft. »Ich nehme an, es war nicht Dangerfield, von dem ich's gehört habe.«
    Auf dem steilen Weg näherte sich aus dem Tal ein Pferd; sie hörten den Hufschlag und wandten beide den Kopf. Ein hochgewachsener, fleischiger Mann mit rotem Gesicht kam angeritten, auf sie zu, blinzelte herüber. »Brillenmann«, rief er, während er näherkam. »Sind Sie da?«
    »Ja«, antwortete Eldon, als das Pferd in die inzwischen von Gras überwucherte Zufahrt zum Haus der Raubs einbog. »Haben Sie die Antibiotika, Mister?«
    »June Raub wird sie herbringen«, sagte der große rotgesichtige Mann, zügelte das Pferd und brachte es zum Stehen. »Lassen Sie uns mal sehen, was Sie da haben, Brillenmann. Ich bin kurzsichtig, und mein linkes Auge leidet zusätzlich an akutem Astigmatismus. Können Sie mir helfen?« Er stieg ab und trat näher, die Augen noch immer verkniffen.
    »Ich kann mich nicht mit Ihnen befassen«, sagte Eldon. »Hoppy Harrington hält mich in seinem Netz fest.«
    »Um Himmels willen, Hoppy«, sagte der große Mann mit dem roten Gesicht erregt. »Laß den Brillenmann los, damit er mir eine Brille verpassen kann. Monatelang habe ich gewartet, und ich habe keinerlei Lust, noch länger zu warten.«
    »Na schön, Leory«, erwiderte Hoppy Harrington mürrisch. Das Drahtnetz löste sich von Eldon und rutschte über den Erdboden zurück zu dem funkelnagelneuen, hochmodernen Phokomobil, in dessen Mitte der Phokomelus saß und ihm entgegensah.

    Als der Satellit das Gebiet von Chikago überquerte, erfaßten die Antennen an seinen wie Schwingen ausgebreiteten MeßgerätExtensoren eine schwache Funksendung, und Walter Dangerfield empfing in seinem Ohrhörer von drunten eine leise, ferne Stimme von hohlem Klang.
    »... und spiel bitte ›Waltzing Matilda‹, das mögen viele von uns sehr. Und vielleicht kannst du auch den ›Woodpecker Song‹ spielen. Und ...« Der Empfang ließ nach, und gleich darauf hörte er nur noch statisches Rauschen. Das war jedenfalls kein Laserrichtstrahl, schlußfolgerte er mit Bedauern.
    »Hört her, Leute«, sagte Dangerfield in sein Mikrofon, »es liegt eine Anfrage vor, ›Waltzing Matilda‹ zu spielen.« Er hob die Hand und drückte eine Taste des Rekorderdecks. »Ihr hört also jetzt den großartigen Baßbariton Peter Dawson – das ist übrigens zugleich der Name einer sehr guten Scotch-Marke – mit ›Waltzing Matilda‹.« Anhand gut eingeprägter Erinnerung wählte er zielsicher die richtige Kassette aus, und einen Moment später lag sie auf, drehte sich die Spule.
    Während die Musik lief, ließ Walt Dangerfield die Antennen kreisen, in der Hoffnung, den Sender von vorhin noch einmal empfangen zu können. Statt dessen jedoch konnte er unversehens ein Funkgespräch zwischen zwei Militäreinheiten mitanhören, die irgendwo im nördlichen Illinois eine Säuberungsaktion durchführten. Das lebhafte Gequassel interessierte ihn, und er hörte zu, bis die Musik geendet hatte.
    »Viel Glück euch Jungs in Uniform«, sagte er anschließend ins Mikrofon. »Gott mit euch, schnappt euch diese Notgeldfälscher.« Er lachte auf, denn wenn jemals ein Mensch sicher vor jeder Strafverfolgung gewesen war, dann ganz bestimmt er. Niemand auf der Erde konnte ihm etwas anhaben; seit der Katastrophe war sechsmal versucht worden, ihn zu erreichen, doch ohne Erfolg. »Schnappt sie euch, diese schlechten Kerle ... oder soll ich lieber sagen, diese braven K erle? Tja, wer sind denn heutzutage die schlechten und wer die anständigen Kerle?« Im Verlauf der letzten Wochen waren bei ihm per Funk zahlreiche Beschwerden über von der Armee begangene Brutalitäten eingegangen. »Ich will euch nun mal was sagen, Jungs«, fügte er glattzüngig hinzu. »Denkt an die Kleinkaliber, ja? Das war's.« Er begann im Kassettenarchiv des Satelliten nach der Aufnahme von ›The Woodpecker Song‹ zu suchen. »Bis gleich, Brüder«, sagte er und legte die Kassette ein.
    Unter ihm lag die Erde im Dunkeln, wandte ihm ihre Nachtseite zu; doch am Rand vermochte er schon ein Streifen Helligkeit des neuen Tages zu sehen, und bald würde er erneut in die Helligkeitszone übergehen. Da und dort schimmerte Licht, als habe man Löcher in die Oberfläche dieses Planeten gestochen, den er vor nun sieben Jahren verlassen hatte – zu einem anderen Zweck, mit einem völlig anderen Ziel; einem erheblich hochgestocheneren Ziel.
    Dies war nicht der

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