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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Blaine.
    »Doch«, gab sie zur Antwort. »Sie kennen mich? Woher?«
    »Ich bin aus der Gegend von Bolinas«, sagte Eldon. »Wir wissen dort alle darüber Bescheid, was Sie hier machen. Ich wünschte, wir hätten bei uns im Ausschuß jemanden wie Sie.« Er fürchtete sich ein bißchen vor ihr. Mrs. Raub war dafür bekannt, daß sie sich durchzusetzen pflegte. Sie und Larry Raub waren es gewesen, die in West Marin nach der anfänglichen Phase der Stagnation wieder so etwas wie organisiertes Leben in Gang gebracht hatten; davor, in der alten Zeit, war sie ein Niemand gewesen, erst die Katastrophe hatte ihr – wie so vielen anderen Menschen – die Chance gegeben, zu zeigen, was wirklich in ihr steckte.
    »Für wen sind die Antibiotika?« fragte Mrs. Raub nach, als sie gemeinsam zu Fuß den Rückweg antraten. »Doch nicht für Sie selbst. Sie sehen für meine Begriffe völlig gesund aus.«
    »Meine kleine Tochter ist todkrank«, sagte er.
    Sie vergeudete keine Zeit mit Redensarten des Mitleids – dergleichen zählte in dieser Welt nicht mehr –, sondern nickte lediglich. »Virushepatitis?« fragte sie. »Wie steht's denn mit Ihrer Wasserversorgung? Haben Sie Chlorinisierung? Wenn nicht, dann ...«
    »Nein, es ist so was wie Scharlach«, sagte Eldon.
    »Gestern Abend haben wir über den Satelliten gehört, daß ein paar deutsche Pharmakahersteller den Betrieb wiederaufgenommen haben, mit etwas Glück werden demnächst also wieder deutsche Medikamente erhältlich sein, jedenfalls an der Ostküste.«
    »Sie empfangen den Satelliten?« vergewisserte Eldon sich aufgeregt. »Unser Radio ist kaputt, und unser Technikus ist gerade irgendwo südlich von San Franzisko und sucht Ersatzteile für Kühlschränke, und wahrscheinlich geht noch ein Monat rum, bis er zurück ist. Sagen Sie, was liest er jetzt? Das letzte Mal, als wir ihn empfangen haben – das ist jetzt schon verdammt lange her –, hat er Saint Simons Erinnerungen vorgelesen.«
    »Inzwischen liest Dangerfield Der Menschen Hörigkeit«, gab Mrs. Raub Auskunft.
    »Ist das nicht das Buch über den Burschen, der das Mädchen nicht mehr loswerden kann, das er mal kennengelernt hat?« wollte Eldon wissen. »Ich glaube, ich erinnere mich noch, wie er es damals gelesen hat, vor vielen Jahren. Das Mädchen tritt immer wieder in sein Leben. Hat sie ihm das Leben nicht zu guter Letzt vollends versaut?«
    »Keine Ahnung. Leider haben wir die Lesung das vorherige Mal nicht empfangen können.«
    »Dieser Dangerfield ist wirklich ein ausgezeichneter Diskjockey«, sagte Eldon, »der beste, den ich je gehörte habe, und das gilt sogar für die Zeit vor der Katastrophe. Ich meine, wir versäumen ihn nie, im allgemeinen kommen jeden Abend gut zweihundert Leute ins Feuerwehrhaus, um ihn zu hören. Ich glaube, einer von uns könnte das verfluchte Radio genausogut reparieren, aber unser Ausschuß hat beschlossen, daß es nicht angerührt wird, bis der Technikus wieder da ist. Falls er überhaupt jemals wiederkommt ... unser vorheriger Technikus ist auf der Ersatzteilsuche verschollen geblieben.«
    »Vielleicht wird man jetzt auch in Ihrer Gemeinde einsehen, daß es richtig ist, was ich schon immer gesagt habe«, meinte Mrs. Raub, »nämlich daß es größte Bedeutung hat, Ersatzteillager anzulegen.«
    »Könnten wir ... könnten wir nicht einmal einen Abgesandten zu Ihnen schicken, der sich von Ihnen dies und jenes erklären läßt und es dann an uns weitergibt?«
    »Doch, selbstverständlich«, sagte Mrs. Raub. »Allerdings...«
    »Sicher, die Verhältnisse sind überall anders«, gab er zu. »Es geht ja nicht darum, daß ...« Er vollführte eine Geste der Ratlosigkeit. Wie verhielt es sich mit Dangerfield, der hoch droben über ihnen in seinem Satelliten saß und jeden Tag über sie hinwegflog? Verbindung zur Welt ... Dangerfield betrachtete alles von oben und sah alles, den Wiederaufbau, die guten ebenso wie die schlechten Veränderungen; er hörte jede Sendung mit, zeichnete auf und archivierte, sendete das gesammelte Material dann seinerseits, so daß die Menschen durch ihn zueinander Verbindung hatten.
    Eldons Gedächtnis hatte die längst vertraut gewordene Stimme Dangerfields, die ihre Gemeinde nun schon so lange entbehren mußte, gut bewahrt; er vermochte sie sich noch jederzeit in Erinnerung zu rufen – in Gedanken das dunkle, klangvolle Lachen, den ernsten Tonfall, die vertrauliche Redeweise zu hören, der nie irgend etwas Falsches anhaftete. Niemals hatte man von

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