Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
Vom Netzwerk:
was er zu sein behauptete, und es bestand kein Anlaß zur Unruhe. Bluthgeld atmete etwas entkrampfter, nachdem er diese Überlegungen angestellt hatte; er beruhigte sich und beschloß, Barnes seine neugeborenen Suffolkschaf-Lämmer zu zeigen.
    Aber früher oder später, sagte er sich, wird irgend jemand mich hier aufspüren und töten. Das ist bloß eine Frage der Zeit. Allesamt verabscheuen sie mich, und sie werden nicht nachlassen, mir nach dem Leben zu trachten. Noch immer sucht die Welt den Mann, der für all das, was geschehen ist, die Verantwortung trägt, und ich kann es den Menschen nicht einmal verübeln. Immerhin trage ich auf meinen Schultern die Verantwortung für den Tod von Millionen, den Untergang von drei Vierteln der Welt, und das können wir nicht vergessen, sie nicht und ich nicht. Nur Gott hat genug Kraft, um ein so ungeheuerliches Verbrechen an der Menschheit zu vergeben und zu vergessen.
    Ich hätte Mr. Austurius nicht umgebracht, dachte er. Ich hätte es hingenommen, daß er mich tötet. Aber Bonny und die anderen – sie haben eine andere Entscheidung getroffen. Sie lag nicht bei mir, denn ich kann keine Entscheidungen fällen. Gott erlaubt es mir nicht mehr. Es wäre wahrhaftig ungehörig. Meine Aufgabe besteht daraus, hier zu warten und meine Schafe zu weiden, auf ihn zu warten, der da kommen soll, der Mann, der auserwählt ist zum Vollzug der letztendlichen Gerechtigkeit. Den Rächer der Welt.
    Wann wird er kommen? fragte Bluthgeld sich. Bald? Ich warte nun schon seit Jahren. Ich bin müde ... Ich hoffe, es wird
    nicht mehr allzu lange dauern.
    »Was haben Sie gemacht, Mr. Tree«, erkundigte sich Mr. Barnes, »bevor Sie Schafzüchter geworden sind?«
    »Ich war Atomwissenschaftler«, antwortete Bluthgeld.
    »Jack war Dozent«, mischte Bonny sich hastig ein. »Er hat Physik gegeben. Physik an der Universität. Aber natürlich nicht hier in dieser Gegend.«
    »So, Dozent«, sagte Mr. Barnes. »Dann haben wir ja gewisse Gemeinsamkeiten.« Er lächelte Dr. Bluthgeld zu, und Bluthgeld lächelte unwillkürlich zurück. Nervös beobachtete Bonny die beiden, die Hände ineinander verklammert, als befürchte sie, es werde irgend etwas sich ereignen, etwas Furchtbares.
    »Wir sollten uns häufiger sehen«, sagte Bluthgeld und nickte schwermütig. »Wir müssen uns unterhalten.«

    9

    Als Stuart McConchie von seiner Fahrt zur südlich von San Franzisko gelegenen Halbinsel in den Osten der Bucht zurückkehrte, mußte er feststellen, daß irgendwer – wahrscheinlich eine Ratte jener Veteranen, die unter den Landungsbrücken lebten – sein Pferd Prinz Edward von Wales geschlachtet und verzehrt hatte. Geblieben waren nur das Skelett, die Beine und der Kopf, ein Haufen Abfall, der weder für ihn noch sonst irgendwen noch einen Wert besaß. Er stand daneben und dachte nach. Tja, dachte er, das ist ein kostspieliger Ausflug gewesen. Zudem war er nämlich zu spät gekommen; der Bauer hatte bereits sämtliche elektronischen Bestandteile der sowjetischen Rakete verkauft gehabt, das Stück für einen Penny.
    Mr. Hardy würde zweifellos ein anderes Pferd besorgen können, aber er hatte Prinz Edward von Wales gerne gehabt. Und es war auf jeden Fall falsch, Pferde um der Ernährung willen zu töten, denn man brauchte sie dringend für vielerlei andere wichtige Zwecke. Sie waren das Rückgrat des gesamten heutigen Beförderungswesens, nachdem die Holzvergaser-Fahrzeuge – und die Menschen, die in Kellern wohnten und im Winter Brennmaterial haben mußten – mittlerweile alles Holz verbrannt hatten; Pferde waren ebenso unentbehrlich beim Wiederaufbau, denn ohne jede Elektrizität waren sie der hauptsächliche Kraftquell. Die Stumpfsinnigkeit, die man darin sehen mußte, daß man Edward als Schlachtvieh mißbraucht hatte, erbitterte Stuart aufs äußerste. Genau das war Barbarei, befand er, die eine große Gefahr, die heute alle fürchteten. Das war Anarchie, betrieben inmitten der Stadt, mitten im Zentrum von Oakland, am hellichten Tag. So etwas würde man normalerweise nur Rotchinesen zutrauen.
    So wanderte er nun zu Fuß langsam zur San Pablo Avenue. Die Sonne hatte in den verschwenderisch prunkvollen, ausgedehnten Sonnenuntergang überzugehen begonnen, den zu sehen Stuart sich in den Jahren seit der Katastrophe regelrecht gewöhnt hatte. Er achtete kaum noch darauf. Vielleicht sollte ich auf irgendein anderes Gewerbe umsteigen, überlegte er. Tierfallen mögen ja für ein Auskommen hinreichen, aber in diesem

Weitere Kostenlose Bücher