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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Barnes stand neben ihr und lächelte ihr zu.
    »Ich sehe mich nach einem Wurm um«, sagte sie schüchtern.
    »Du bist aber ein sehr wackeres Mädchen«, sagte er.
    »Mit wem redest du?« fragte Bill verwirrt. »Wer ist da?«
    »Mr. Barnes«, gab sie ihm Aufschluß.
    »Ja?« fragte Mr. Barnes.
    »Ich habe meinen Bruder gemeint, nicht Sie«, erklärte Edie. »Er wollte wissen, mit wem ich rede, Mr. Barnes« – diese Bemerkung galt wieder Bill – »ist der neue Lehrer.«
    »Ich habe verstanden«, sagte Bill. »Ich kann ihn hören, er ist so nah, daß ich zu ihm durchkomme. Er ist mit Mama gut befreundet.«
    »Unserer Mama?« vergewisserte Edie sich verdutzt.
    »Ja«, antwortete Bill in einem Tonfall, der Verwunderung ausdrückte. »Ich verstehe es nicht so richtig, aber er kennt sie gut und trifft sich ständig mit ihr, wenn kein anderer sie beide sehen kann. Er und sie ...« Er verstummte. »Das ist ja wohl das letzte. Das ...« Er verstummte, als habe er sich verschluckt. »Ich kann's nicht sagen.« Edie starrte ihren Lehrer offenen Mundes an. »Da siehst du's«, sagte Bill hoffnungsvoll. »Habe ich dir jetzt nicht einen großen Gefallen getan? Ich habe dir ein Geheimnis verraten, hinter das du ohne mich niemals gekommen wärst. Ist das nicht toll?«
    »Doch«, sagte Edie und nickte wie benommen vor sich hin. »Ich würde sagen, doch.«

    »Heute bin ich vor der Schule deiner Tochter über den Weg gelaufen«, sagte Hal Barnes zu Bonny. »Und ich hatte deutlich den Eindruck, daß sie über uns Bescheid weiß.«
    »Du lieber Himmel, woher sollte sie denn?« entgegnete Bonny. »Das ist völlig ausgeschlossen.« Sie streckte die Hand aus und verstärkte den Lichtschein der Öllampe. Das Wohnzimmer nahm ein weit handfesteres Aussehen an, als man wieder die Stühle, den Tisch und an den Wänden die Bilder erkennen konnte. »Außerdem spielt's ohnehin keine Rolle. Es wäre ihr gleich.«
    Aber sie könnte es George erzählen, dachte Barnes.
    Der Gedanke an Bonnys Ehemann veranlaßte ihn dazu, durch den Umriß des Fensters hinaus auf die vom Mondschein erhellte Straße zu spähen. Nichts regte sich; die Straße lag verlassen da, und es waren nur Laub, wie Wellen angeordnete Hügel und weiter unten das flache Weideland zu sehen. Ein friedlicher, ein idyllischer Anblick, dachte er. George nahm in seiner Eigenschaft als Schulleiter an der heutigen Sitzung des Planungsausschusses teil und würde erst in einigen Stunden nach Hause kommen. Edie lag natürlich schon im Bett; es war zwanzig Uhr.
    Und Bill? dachte Barnes. Wo ist Bill, wie Edie ihn nennt? Lauert er irgendwo im Haus, beobachtet er uns? Er empfand Unbehagen und löste sich von der Frau neben ihm auf der Couch.
    »Was ist los?« fragte Bonny mit plötzlicher Wachheit. »Hast du irgend was gehört?«
    »Nein. Aber ...« Er winkte ab.
    Bonny langte zu, packte ihn und zog ihn an sich. »Herrje, sei doch nicht so memmenhaft. Hat der Krieg dich in bezug auf das Leben denn überhaupt nichts gelehrt?«
    »Er hat mich gelehrt«, sagte er, »mein Leben sehr hoch zu schätzen und darauf zu achten, daß ich's nicht leichtfertig wegwerfe. Er hat mich gelehrt, immer sicherzugehen.«
    Bonny stöhnte auf und setzte sich; sie glättete ihre Kleidung und knöpfte sich die Bluse wieder zu. In was für einem Gegensatz stand dieser Mann doch zu Andrew Gill, der sich nie scheute, gleich unterm freien Himmel mit ihr zu bumsen, am hellichten Tag, neben den von Eichen gesäumten Landschaften von West Marin, während jederzeit irgendwer oder irgend was vorüberkommen konnte. Er hatte sie bis jetzt noch jedesmal genauso genommen wie damals beim erstenmal, sich kurzerhand in sie gebohrt, nie lange gefackelt, gefummelt oder gefaselt ... Vielleicht sollte ich zu ihm zurück, dachte sie. Möglicherweise wäre es am besten, dachte sie, ich könnte ihnen allesamt einfach Ade sagen, Barnes und George, meiner verrückten Tochter. Ich sollte irgendwo ganz offen mit Andrew zusammenleben, der ganzen Gemeinde zum Trotz, und zur Abwechslung einmal richtig glücklich und zufrieden sein dürfen.
    »Naja, wenn wir nicht bumsen wollen«, sagte sie, »dann laß uns wenigstens rüber ins Forstamt gehen und das Satellitenprogramm hören.«
    »Ist das dein Ernst?« wollte Barnes wissen.
    »Natürlich.« Sie ging zum Schrank, um ihren Mantel zu holen.
    »Dann liegt dir also nur am Bumsen«, sagte er bedächtig. »Das ist alles, was dich an einer Beziehung interessiert.«
    »Für was interessierst du dich denn? Fürs

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