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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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wirklich nicht geboren werden kann.« Die Stimme ihres Bruders klang wieder einmal kläglich. »Wenn ich bloß für ein kurzes Weilchen geboren werden könnte, dann ...«
    »Vielleicht ist es möglich, daß ich's Hoppy gebe«, sagte Edie Keller nachdenklich. »Frage mal Mr. Blaine, was man machen sollte. Mir ist ziemlich bange vor Hoppy.«
    »Ich könnte Imitationen erschaffen, die ihn umbringen«, sagte Bill, »wäre ich nur draußen. Ich denke da an ein paar echt starke Dinger. Du müßtest mal seinen Vater hören, den kann ich richtig gut nachahmen. Möchtest du mal hören?« Er sprach in der tiefen Stimme eines erwachsenen Mannes weiter. »Ich sehe hier, was für 'ne Steuersenkung Kennedy wieder ausgeheckt hat. Wenn er meint, auf diese Weise kann er die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, muß er noch verrückter sein, als ich glaube, und ich halte ihn sowieso schon für verdammt verrückt.«
    »Nimm mal mich«, sagte Edie. »Mach doch mal mich nach.«
    »Wie soll ich das denn können?« entgegnete Bill. »Du bist ja noch nicht tot.«
    »Wie ist das überhaupt«, wollte Edie erfahren, »das Tot sein? Eines Tages werde ich auch tot sein, deshalb möchte ich's wissen.«
    »Es ist ganz merkwürdig. Man liegt unten in einem Loch und schaut nach oben. Und man ist völlig flach, wie ... Naja, man ist wie leer. Und weißt du was? Nach einiger Zeit kommt man zurück. Man wird fortgeweht, und wenn man fortgeweht wird, kommt man zurück. Hast du das gewußt? Ich meine, man kommt dorthin zurück, wo du jetzt bist. Man wird wieder dick und lebendig.«
    »Nein, das habe ich noch gar nicht gewußt«, sagte Edie. Sie langweilte sich; sie hätte lieber mehr darüber gehört, wie Hoppy Mr. Blaine umgebracht hatte. Von einem gewissen Punkt an waren all die Toten drunten nicht mehr so sonderlich interessant, weil sie nie irgend etwas unternahmen, sie lagen nur herum und warteten ab. Einige von ihnen, wie Mr. Blaine, dachten ständig nur ans Töten, und andere dösten vor sich hin wie blöde alte Strünke; Bill hatte es ihr oft genug erzählt, weil er sich dafür so sehr interessierte. Er meinte, es sei irgendwie wichtig.
    »Hör zu, Edie«, sagte Bill, »laß uns nochmals das Tierexperiment durchführen, ja? Du fängst ein kleines Tier und hältst es an deinen Bauch, und ich versuche nochmal, ob ich raus und in es hinein kann. Einverstanden?«
    »Wir haben's doch schon versucht«, erwiderte sie in ihrer praktisch gesonnenen Art.
    »Laß es uns noch einmal versuchen! Nimm ein ganz kleines Tier. Was sind das gleich wieder für Dinger ... du weißt schon. Sie haben eine harte Schale und hinterlassen Schleim.«
    »Käfer.«
    »Nein.«
    »Schnecken.«
    »Ja, die meine ich. Such uns eine Schnecke und halt sie so dicht an mich wie du kannst. Halt sie neben meinen Kopf, so daß sie mich und ich sie hören kann. Machst du das?« Bills Stimme nahm einen unheilvollen Tonfall an. »Wenn nicht, schlafe ich ein ganzes Jahr lang.« Danach schwieg er.
    »Dann schlaf«, sagte Edie. »Mir ist's egal. Ich habe noch eine
    Masse Leute mehr, mit denen ich mich unterhalten kann, aber du nicht.«
    »Dann werde ich eben sterben, und das wirst du nicht mitmachen, weil du von da an immer einen toten Klumpen in dir herumtragen müßest, oder ... Ich will dir sagen, was ich tun werde. Wenn du kein Tier besorgst und es gegen mich hältst, werde ich dafür sorgen, daß ich wachse, und bald werde ich so groß sein, daß du aufplatzt wie ein alter ... Du weißt schon.«
    »Wie ein alter Sack«, sagte Edie.
    »Genau. Und auf die Weise werde ich dann doch noch nach draußen gelangen.«
    »So könntest du rausgelangen«, stimmte sie zu, »aber du würdest bloß auf die Erde fallen und müßtest selber sterben. Du kannst allein nicht weiterleben.«
    »Ich kann dich nicht leiden«, sagte Bill.
    »Ich kann dich noch viel weniger leiden«, sagte Edie. »Ich konnte dich schon früher nicht ausstehen, damals schon nicht, als ich dich zum erstenmal bemerkt habe.«
    »Das ist deine Sache«, entgegnete Bill mürrisch. »Da pfeif ich drauf. Ich bin Gummi, und du bist Klebe.«
    Edie schwieg; sie kehrte zu den anderen Mädchen zurück und spielte weiter mit ihnen Stein, Schere, Papier. Das war viel interessanter als alles, was ihr Bruder daherredete; er wußte so wenig, tat nichts, sah nichts, während er da unten in ihr saß. Aber eines war interessant, diese Geschichte, wie Hoppy Mr. Blaines Genick zusammengedrückt hatte, bis es brach. Sie fragte sich, wen Hoppy sich wohl

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