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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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er weiß Bescheid. Ist das etwa keine T atsache, Stockstill? Jetzt muß er doch Bescheid wissen. Habe ich recht?«
    »Ich bezweifle«, entgegnete Stockstill, »daß er weiß, Sie haben überlebt.«
    »Aber es liegt doch unmißverständlich auf der Hand, daß ich überlebt haben muß«, antwortete Bluthgeld. »Sonst wäre die Welt doch ...« Seine Stimme ging in ein unverständliches Brabbeln über, und Bonny bekam den Rest seiner Äußerungen nicht mehr mit. Sie hörte nur noch das Geräusch ihrer Absätze auf den von Unkraut bewucherten Überbleibseln des
    Straßenbelags.
    Und wir anderen, wir sind alle genauso verrückt wie er, sagte sie sich. Mein Kind mit ihrem ausgedachten Bruder, Hoppy bewegt Pennys von weitem und äfft Dangerfield nach, Andrew Gill dreht Jahr für Jahr bloß immer per Hand eine Zigarette nach der anderen ... nur der Tod kann uns aus diesem Schlamassel helfen, und vielleicht nicht einmal der Tod. Kann sein, daß es zu spät ist. Möglicherweise werden wir diese Verkommenheit mit ins nächste Leben hinübernehmen. Es wäre besser gewesen, dachte sie, wir wären am Tag X alle ums Leben gekommen. Dann hätten wir nicht das Entstehen all dieser Mißgeburten und Abartigkeiten, der Strahlis und intelligenten Tiere miterleben müssen ... Die Leute, die den Krieg angezettelt haben, waren nicht gründlich genug. Ich bin alles leid und will meine Ruhe. Ich möchte all das hier abstreifen und mich irgendwo ausstrecken, wo es dunkel ist und niemand spricht. In alle Ewigkeit.
    Was mit mir wirklich los ist, dachte sie jedoch auf einmal – wieder mehr praktisch –, ist vielleicht, daß ich schlichtweg noch nicht den richtigen Mann gefunden habe. Aber es ist noch nicht zu spät. Noch bin ich jung und nicht fett geworden, und jeder sagt, daß ich makellose Zähne habe. Noch ist alles drin, und ich muß die Augen offenhalten.
    Vor ihnen stand das Forstamt, ein altmodisches, weißes Gebäude aus Holz, die Fensterläden geschlossen, und zwar für immer; das Glas war nie ersetzt worden und würde auch niemals ersetzt werden. Vielleicht könnte Dangerfield, falls er nicht schon an einem blutenden Magengeschwür gestorben ist, überlegte sie, für mich eine Durchsage machen. Wie würde man das wohl hier in der Gemeinde aufnehmen? Oder ich könnte eine Kleinanzeige in den Apokalyptischen Nachrichten aufgeben, den abgeschlafften Schluckspecht Paul Dietz ein halbes Jahr lang oder so für mich eine Annonce bringen lassen.
    Als sie die Tür zum Förstersaal öffnete, hörte sie die vertraute, gutmütige Stimme Walt Dangerfields seine im voraus aufgezeichnete Lesung vortragen; sie sah die Reihen von Gesichtern, die Menschen, die ihm lauschten, manche aufge regt, manche locker und mit Vergnügen ... Und in einer Ecke sah sie unauffällig zwei Männer sitzen, Andrew Gill und einen hochgewachsenen, schlanken, jüngeren Neger von vorteilhaftem Aussehen. Letzterer mußte der Mann sein, der Bruno Bluthgelds wackliges Bauwerk der Unangepaßtheit ins Wanken gebracht hatte, und nun stand Bonny hier unter der Tür und wußte nicht, was sie tun sollte.
    Hinter ihr drängten Barnes und Stockstill nach, und mit ihnen Bruno; die drei Männer schoben sich an ihr vorbei, Stockstill und Barnes hielten gewohnheitsmäßig nach leeren Plätzen in dem nahezu vollen Saal Ausschau. Bruno, der nie zuvor hier gewesen war, um das Satellitenprogramm zu hören, verharrte fassungslos, als könne er nicht begreifen, was die Leute da taten, als wären ihm die Worte unbegreiflich, die aus dem kleinen, batteriebetriebenen Radio drangen.
    Entgeistert stand Bruno neben Bonny, rieb sich die Stirn und musterte die im Saal versammelten Menschen; benommen warf er Bonny einen Blick stummer Fragestellung zu, dann machte er Anstalten, sich Barnes und Stockstill anzuschließen. In diesem Moment sah er den Farbigen. Er blieb stehen. Er wandte sich ihr wieder zu, und sein Gesichtsausdruck hatte sich schlagartig verändert: sie blickte in eine Miene zersetzenden, fürchterlichen Verdachts – der Überzeugung, nun plötzlich alles, was er hier sah, zu verstehen.
    »Bonny«, raunte er, »du mußt dafür sorgen, daß er verschwindet.«
    »Das kann ich nicht«, erwiderte sie unumwunden.
    »Wenn du nicht dafür sorgst, daß er verschwindet«, sagte Bruno, »werde ich bewirken, daß wieder Bomben explodieren.«
    Sie starrte ihn an. »Tatsächlich?« hörte sie sich dann mit spröder, brüchiger Stimme entgegnen. »Das ist es, was du tun möchtest, Bruno?«
    »Ich muß«,

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