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Kinder des Holocaust

Kinder des Holocaust

Titel: Kinder des Holocaust Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Quatschen?« Er sah sie auf melancholische Weise an, gab jedoch keine Antwort. »Du Schlaffi«, sagte sie und schüttelte den Kopf. »Du Schlappschwanz. Wozu bist du bloß nach West Marin gekommen? Nur um kleine Kinder zu unterrichten« und zum Pilzesammeln durch die Gegend zu latschen?« Sie hatte die Nase gestrichen voll.
    »Das Erlebnis, das ich heute auf dem Spielplatz vor der Schule gehabt habe ...«, begann Barnes.
    »Du hast kein Erlebnis gehabt«, fiel sie ihm ins Wort. »Das waren nur deine gottverdammten beschissenen Schuldgefühle, die sich da wieder bemerkbar gemacht haben. Komm, laß uns gehen. Ich will Dangerfield hören. Wenn er redet, macht das Zuhören wenigstens Spaß.« Sie zog den Mantel an, eilte zur Haustür und öffnete sie.
    »Wird mit Edie alles in Ordnung sein?« fragte er, während sie zusammen den Weg beschritten.
    »Sicher«, sagte sie, im Moment völlig dazu außerstande, sich mit solchen Sorgen zu befassen. Mißgestimmt betrat sie die Landstraße, die Hände tief in die Manteltaschen gesenkt. Barnes trottete ihr nach, darum bemüht, mit ihr Schritt zu halten.
    Voraus tauchten zwei Gestalten auf, durchmaßen eine Biegung und kamen in nähere Sicht; Bonny blieb beklommen stehen, weil sie annahm, eine davon sei George. Doch da erkannte sie, daß der kleinere, stämmigere Mann Jack Tree war, und der andere ... Sie strengte ihre Augen an, ging weiter, als läge nichts irgendwie Ungewöhnliches vor. Der andere Mann war Dr. Stockstill.
    »Komm«, sagte sie gelassen über die Schulter zu Barnes. Er kam, aber widerwillig, drauf und dran, auf dem Absatz kehrtzumachen und das Weite zu suchen. »Hallo«, rief sie Stockstill und Bluthgeld zu; beziehungsweise Jack Tree, sie mußte daran denken, ihn so zu nennen. »Was ist denn das, Psychoanalyse hier draußen im Dunkel der Nacht? Wird sie dadurch effektiver? Sollte mich jedenfalls nicht wundern.«
    »Bonny«, keuchte Tree mit seiner heiseren, rauhen Stimme, » ich habe ihn wiedergesehen. Den Neger, der alles über mich verstanden hat, an dem Tag, als der Krieg ausbrach, als ich zu Dr. Stockstills Praxis unterwegs war. Du hast mich zu ihm geschickt, entsinnst du dich?«
    »Sie sehen doch alle gleich aus, sagt man«, bemerkte dazu Stockstill, als gedenke er einen Scherz zu machen. »Und außerdem ...«
    »Nein, es ist derselbe Mann«, widersprach Tree. »Er hat mich bis hier verfolgt. Wißt ihr, was das bedeutet?« Er schaute von Bonny zu Stockstill und dann zu Barnes, die Augen dermaßen geweitet, als wären sie aus Gummi, und voller Entsetzen. »Das heißt, es wird wieder losgehen.«
    »Was wird wieder losgehen?« fragte Bonny ihn.
    »Der Krieg«, antwortete Tree. »Deswegen hat er ja ursprünglich angefangen, der Neger hat mich gesehen und erkannt, was ich getan hatte, er wußte, wer ich bin, und er weiß es heute noch genauso. Sobald er mich sieht ...« Er verstummte, winselte, röchelte und hustete in seiner Gequältheit. »Verzeihung«, nuschelte er.
    »Es ist ein Neger im Ort, das stimmt«, sagte Bonny zu Stockstill. »Ich habe ihn gesehen. Anscheinend hat er Andrew Gill aufgesucht, um mit ihm über den Vertrieb seiner Zigaretten zu verhandeln.«
    »Es kann gar nicht dieselbe Person sein«, sagte Stockstill. Er und Bonny traten etwas zur Seite und besprachen sich untereinander.
    »Selbstverständlich ist es möglich, daß es dieselbe Person ist«, meinte Bonny. »Aber das spielt keine Rolle, im Vordergrund stehen so oder so seine Wahnvorstellungen. Ich habe ihn schon unzählige Male davon reden hören. Ein Neger hat damals auf dem Gehweg gestanden und gekehrt und gesehen, wie er in Ihre Praxis gegangen ist, und an dem Tag ist der Krieg ausgebrochen, und er bildet sich ein, dazwischen bestünde ein Zusammenhang. Und nun wird er voraussichtlich den Verstand völlig verlieren, oder was haben Sie für einen Eindruck?« Sie empfand Resignation; immer hatte sie damit gerechnet, daß es einmal so kam. »Die Frist seines Zustands immerhin stabiler Nichtangepaßtheit ist also zu Ende«, sagte sie. Und vielleicht, dachte sie, für uns alle. Einfach für uns allesamt. Wahrscheinlich war es von vornherein ausgeschlossen, daß es immer so weitergeht. Bluthgeld mit seinen Schafen, ich mit George ... Sie seufzte. »Was sagen Sie dazu?«
    »Ich wünschte«, äußerte Stockstill, »ich hätte ein wenig Stelasin, aber so was gibt's seit dem Tag X nicht mehr. Damit könnte man ihm helfen. Ich kann nichts für ihn tun. Ich habe die Psychiatrie aufgegeben, das

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