Kinder des Holocaust
Mißbehagen.
Oder ist das nur argwöhnische ländliche Mentalität? fragte er sich. Womöglich gibt mir nur die Isolation des Landlebens so was ein. Mißtrauen gegen Fremde ... gegen alles, was irgendwie fremd sein mochte.
Nichtsdestoweniger sollte ich besser auf der Hut sein, entschied er. Ich darf mich nicht zur Voreiligkeit hinreißen lassen, nur weil dieser Mann mich an die guten, alten Zeiten vor dem Krieg erinnert. Ich muß mir diese Maschine mit aller gebotenen Vorsicht ansehen. Immerhin könnte ich genausogut Hoppy damit beauftragen, sich einen derartigen Apparat auszudenken und zu bauen. Er ist doch offensichtlich in dieser Hinsicht sehr fähig. Ich hätte all das, was mir jetzt hier vorgeschlagen wird, schon längst von mir aus in die Wege leiten können. Vielleicht bin ich einsam, dachte er. Daran könnte es liegen. Mir fehlen die Stadtbewohner und ihre Art des Denkens. Das Land macht mich mürbe, dieses Kaff Point Reyes mit seinen Apo kalyptischen Nachrichten, randvoll mit kleinkariertem Klatsch, und das hektografiert!
»Da Sie geradewegs aus der Stadt kommen«, sagte er zu Stuart McConchie, »würde es mich interessieren ... sind in letzter Zeit aus den Vereinigten Staaten oder aus anderen Ländern irgendwelche Neuigkeiten eingetroffen, die ich noch nicht gehört habe? Wir können natürlich den Satelliten empfangen, aber um ehrlich zu sein, ich bin das Diskjockey-Gewäsch und die Musik satt und auch die endlosen Lesungen.«
Sie lachten beide. »Ich weiß, was Sie meinen«, sagte McCon chie, trank vom Kaffee und nickte. »Tscha, warten Sie mal. Soviel ich gehört habe, befaßt man sich gegenwärtig damit, wieder so was wie eine Autoproduktion anzuleiern, irgendwo bei den Ruinen von Detroit. Das Modell soll vorwiegend aus Sperrholz bestehen, aber mit richtigem Sprit laufen.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, woher der Sprit kommen soll«, sagte Gill. »Ehe man mit der Produktion von Autos anfängt, sollte man lieber ein paar Raffinerien wiederaufbauen. Und einige wichtige Straßen reparieren.«
»Ach, noch etwas. Die Regierung hat vor, im Laufe des Jahres wieder eine der Straßen über die Rocky Mountains zu eröffnen. Erstmals seit dem Krieg.«
»Das ist wahrhaftig eine gute Neuigkeit«, sagte Gill erfreut. »Das wußte ich noch nicht.«
»Und die Telefongesellschaften ...«
»Moment mal«, unterbrach Gill und stand auf. »Möchten Sie 'n kleinen Brandy in Ihren Kaffee? Wie lange ist's her, seit Sie zuletzt 'n Kaffee mit Schuß getrunken haben?«
»Jahre«, antwortete Stuart McConchie.
»Hier ist Gills Five Star. Meine eigene Marke. Aus dem Sonoma Valley.« Er goß aus der kantigen Flasche etwas in McConchies Tasse.
»Es gibt noch etwas, das Sie interessieren dürfte.« McConchie langte in seine Manteltasche und holte etwas hervor, das flach war und zusammengefaltet. Er entfaltete es, breitete es aus, und Gill erkannte einen Briefumschlag.
»Was ist das?« Gill nahm den Umschlag und betrachtete ihn, ohne irgendeine Besonderheit feststellen zu können. Es handelte sich um einen ganz gewöhnlichen Briefumschlag mit einer Anschrift darauf, einer abgestempelten Briefmarke ... Und da begriff er, konnte kaum seinen Augen trauen. P ost. Ein Brief aus New York.
»Genau«, sagte McConchie »Meinem Chef zugestellt, Mr. Hardy. Über die ganze Strecke von der Ostküste herüber. Und es hat bloß vier Wochen gedauert. Die Regierung in Cheyenne ist dafür verantwortlich, das Militär. Die Beförderung erfolgt teils mit dem Luftschiff, teils durch Lieferwagen und zum Teil per Pferd. Ausgetragen wird die Post am Ende zu Fuß.« »Guter Gott«, sagte Gill. Und er schüttete etwas von Gills Five Star auch in den eigenen K affee.
12
»Hoppy war's, der den Brillenmann aus Bolinas umgebracht hat«, sagte Bill zu seiner Schwester. »Und nun will er noch jemanden umbringen, und für später hat er nochmals etwas ähnliches vor, aber was genaues kann ich noch nicht feststellen.«
Seine Schwester hatte mit drei anderen Kindern Stein, Schere, Papier gespielt; nun machte sie damit Schluß, sprang auf und lief schnell an den Rand des Schulgrundstücks, wo sie allein sein und sich mit Bill in aller Ruhe verständigen konnte. »Woher weißt du das?« fragte sie ihn aufgeregt.
»Weil ich mit Mr. Blaine gesprochen habe«, gab Bill zur Antwort. »Er ist jetzt unten, und bald werden andere folgen. Ich würde zu gerne raus und es Hoppy zeigen. Mr. Blaine ist auch dafür. Frage doch nochmal Dr. Stockstill, ob ich
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