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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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die paar toten Perversen, die sich an deinen Prügeleien ergötzt haben, fallen nicht weiter ins Gewicht. Es war deine Strafe und Erlösung zugleich.« Er erhebt sich und geht zum Fenster. »Sie stehen noch immer am Fuß des Hügels«, meldet er. »Trink von dem Jungen, bevor es losgeht. Du wirst die Kraft benötigen.«
    Ich wende meinen Blick ab und betrachte die rotglühende Ofenplatte. »Was hast du in den vielen Jahren gemacht, Marek?«
    »Das Übliche«, erwidert er lapidar.
    »Forschen und Menschen quälen«, übersetze ich. »Und ein bisschen vermehren …« Bei diesen Worten fällt mir ein, dass er allein erschienen ist. »Du hast keine Nachkommen?«
    Er schluckt und tut so, als habe er mich nicht gehört.
    »Marek, wie viele Vampire hast du in die Welt gesetzt?«
    »Keinen«, kommt die leise Antwort, er lehnt die Stirn gegen die Mauer neben dem Fenster. »Die Tränke, die ich gebraut und eingenommen habe, um mein eigenes Leben zu verlängern, haben ihren Tribut verlangt. Es wird mir niemals vergönnt sein, Nachkommen zu haben. Nicht auf diese Weise, wie sie die edelste ist und uns von dem Abschaum abhebt.« Er beherrscht sich mühsam, die Schmach setzt ihm zu. »Im Gegensatz zu dir.«
    Ja, Marek hat viele Gründe, um aus mir wieder Scylla zu machen. »Du weißt nichts von meiner Vergangenheit.«
    »So?« Er sieht mich an und signalisiert durch sein Lächeln, dass ich mich täusche. »Ich habe dich nicht gänzlich aus den Augen verloren, Schwester. Du bist nach Deutschland gegangen und hast die Familie dieses Viktor aufgesucht. Weil du den Mann nicht mehr haben konntest, bist du so weit gegangen, seinen Vater zu verführen und dir ein Kind von ihm machen zu lassen.«
    Ich zucke zusammen. Es schmerzt, wenn man erkennen muss, dass Geheimnisse keine mehr sind. »Ihr und die Tenjac habt ihn mir genommen«, flüstere ich. »Meine Zukunft ist mit ihm …«
    »Also bist du zur Quelle gegangen, Schwester. Mit welchem Zweck? Ein Kind zu gebären, das aussieht wie er? Einen kleinen Viktor zu haben? Hier, ich habe dir einen anderen mitgebracht! Sieht er nicht ebenso aus wie der alte?« Er steckte die Hände in die Taschen. »
Diese Besessenheit
, Scylla, nenne ich krank. Nicht das, was ich tue.«
    Seine Worte reißen meine Gedanken in die Vergangenheit zurück.
    Ich sehe mich auf der Flucht und in Deutschland, im Bett von Viktors Vater und auf der beschwerlichen Reise nach Frankreich, in die Südbretagne, wo ich in einem kleinen Ort Unterschlupf finde und meine Tochter zur Welt bringe; wo ich mir einen Namen als Tänzerin und Sängerin mache; wo ich viele Jahre lebe, abseits der Wirren der Revolution und ihrer schrecklichen Nachwehen.
    »Deine Tochter brachte viele Kinder zur Welt, nicht wahr? Und du hast sie mehr umsorgt, als es für eine Großmutter angemessen ist«, bricht Mareks Stimme in meine Erinnerung und lenkt sie in eine neue Richtung.
    »Es war meine Verantwortung, dafür zu sorgen, dass sie nachihrem Tod nicht mein Schicksal teilen«, erwidere ich lahm und sehe doch nur die wunderschöne französische Gegend vor mir. Das Meer, das ich trotz seiner Gefahr für mich lieben lernte und niemals überqueren kann. Salzgeschmack auf den Lippen und Gischt im Gesicht, mehr ist mir nicht erlaubt gewesen. Ich habe Viktors Liebe für das Meer geteilt.
    »Du hast die Gräber geöffnet und ihnen den Kopf abgetrennt, ich weiß.« Mareks Stimme steuert die Bilder, ich sehe mich nachts auf den Friedhöfen schuften und meine Arbeit verrichten. »Doch der guten Hirtin muss ein Lamm entkommen und zum Wolf geworden sein.«
    Ich nicke. »Es hat lange gedauert, bis ich ihn fand und zur Strecke brachte.«
    »Doch vorher hat er Kinder gezeugt, von denen du nichts wusstest. Wie lange hast du dich in der trügerischen Sicherheit gewiegt, dass deine Unachtsamkeit keine Folgen haben würde, sechzig, siebzig Jahre? Doch dann starben deine versprengten Nachfahren, kehrten aus den Gräbern zurück und mordeten, was die Umgebung hergab.« Marek gluckste. »Ich habe ihre Karrieren mit großer Freude verfolgt.«
    »Deine Freude kann nicht von langer Dauer gewesen sein«, unterbreche ich ihn. Ich hoffe, dass ich damit die Bilder abschalten kann, die ich nicht sehen möchte. Ich presse die Lider fest zusammen und reibe mir die Augen. Sinnlos. Die Vergangenheit ist noch immer da und versperrt mir die Sicht auf die Gegenwart.
    »Ja, Scylla, du hast sie bravourös ausgeschaltet.« Er lacht kurz. »Bis zum Jahr 1900 hast du deine Nachkommen so weit

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