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Kinder des Judas

Titel: Kinder des Judas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz , Markus Heitz
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aus. »
So
werdet ihr enden, Abschaum!«
    Der Marsch der Vampire gerät ins Stocken.
    Marek wendet sich mir zu. »Ich grüße dich, Schwester.« Er zeigt mit seinen blutigen Fingern auf meine roten Haare. »Du versuchst nicht mehr, deine wahre Natur zu verleugnen. Ich darf dich demnach wieder Scylla nennen?«
    Er wartet meine Antwort nicht ab, sondern schreitet an mir vorbei die Stufen der Mühle hinauf. Macht hat keine Eile nötig. »Wir werden sie drinnen erwarten. Dort können wir sie besser bekämpfen als im Freien.«
    Ich starre auf das schwarze Heer. Die Wolken ballen sich über der Mühle zusammen, und aus dem Wald quellen die Vampire von allen Seiten und sammeln sich am Fuß des Hügels.
    Mir ist schleierhaft, welchen Plan mein Bruder verfolgt. Eine Stimme sagt mir, dass ich ihn töten sollte, jetzt und auf der Stelle. Er ist der zweite Mörder meines Liebsten gewesen, die erste Mörderin – Irina – ist bereits zur Rechenschaft gezogen.
    Und trotzdem folge ich ihm.
     
    23. Dezember 2007
In der Nähe von Belgrad, 22.21 Uhr
     
    Dickflüssig und zäh schießt es mir die Kehle hinauf, und ich öffne den Mund, um es hinauszulassen.
    Ich übergebe mich und sehe, wie das schwarze, geronnene Blut der Viesczy teergleich auf den Boden der Windmühle klatscht. Es bekommt mir einfach nicht, von anderen Vampiren zu trinken, und freiwillig hätte ich es sicher nicht getan. Angewidert spuckend befördere ich die letzten Reste aus mir heraus, dann schaue ich nach meinem Bruder.
    Marek sitzt neben dem Ofen. Er hat die Feuerluke geöffnet und legt Holz nach, die Wärme verstärkt sich. Er hat es nicht eilig, und es hat fast den Anschein, als würde er jeden Moment einen Kessel Wasser aufsetzen, um Tee zuzubereiten.
    »Du bist überheblich wie immer«, sage ich zu ihm und verriegele die Tür des Gebäudes. Die Schießschartenfenster sind jetzt von Vorteil; es erinnert mich daran, dass die Mühle als Bollwerk für solche Gelegenheiten errichtet worden ist.
    Marek schließt die Luke. »Wir haben Zeit, Scylla. Ich schätze, dass wir mindestens eine halbe Stunde haben. Sie haben nicht damit gerechnet, dass wir zu zweit sind.« Er beugt sich vor und reckt die Arme gegen den Ofen. »Eine gute Gelegenheit, sie alle zu vernichten.«
    In mir tobt ein Kampf. Noch immer verlangt die Stimme, dass ich Marek auf der Stelle umbringen soll, aber dann erfahre ich niemals, was hinter seinem Plan steckt. Da ich ihn sehr gut kenne, traue ich ihm zu, noch einiges anderes arrangiert zu haben. »Du warst mindestens genauso lange nicht mehr hier wie ich, stimmt’s?«
    Er nickt und atmet tief ein. »Die alten Zeiten: die Mühle, die Paläste, unsere Macht – erinnerst du dich?«
    »Ebenso wie die Vampire, die mich umbringen wollten. DieKinder des Judas sind nicht vergessen, auch wenn die meisten von ihnen uns nur aus den Erzählungen ihrer Vorfahren kennen.« Ich wähle den Stuhl auf der anderen Seite des Ofens, etwa einen Meter von meinem Bruder entfernt. »Irina war also diejenige, die den Kampf gegen euch anführte?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Es hätte jede sein können.«
    »Und du hast dich nie gefragt, warum sie noch immer lebt?« Jetzt blickt er mich erstaunt an. Ehrlich erstaunt. »Sie
lebt
noch?«
    »Bis ich ihr begegnet bin«, berichtige ich. Es freut mich, dass er anscheinend keine Ahnung von der uralten Tenjac gehabt hat. Ich glaube nicht, dass sie mit dem recht hatte, was sie sagte: mein Blut als Schlüssel zur Unsterblichkeit. Andererseits – warum nicht? Wenn Marek das wüsste, würde er mir sicherlich auf der Stelle die Adern öffnen und mich aussaugen.
    »Was bezweckst du mit dem, was gerade geschieht?« Ich schaue in seine fast violetten Augen. »Sollen die letzten Nachfahren des Judas Ischariot in einem glorreichen Kampf untergehen, ist es das? Hast du gewusst oder gehofft, dass unsere Rückkehr bemerkt wird?«
    »Also hast du nach all der Zeit doch endlich wieder zum wahren Glauben zurückgefunden?«, fragt er, meinen ironischen Unterton ignorierend.
    Ich schüttele den Kopf, und rote Strähnen rutschen in mein Antlitz. »Du weißt, dass wir ebenso Vampire sind wie die da draußen. Wir sind niemals besser gewesen und genauso schlecht und verdorben wie sie. Die Lüge über unsere Herkunft, das Gefasel darüber, dass wir dem Christentum zum Sieg verholfen haben, die lächerlichen Regeln und die Zusammenkünfte können daran nichts ändern. Wir sind die Geschöpfe von Dämonen, Marek.«
    »Und doch müssen wir uns ihnen

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