Kinder des Judas
pumpen, ich trinke und muss mich beherrschen, nicht alles gleich wieder auszuspucken. Es ist widerlich, und ich verfalle nicht in den Rausch der Glückseligkeit. Es hat mehr von einer bitteren Medizin, die genommen werden muss.
Doch sie gibt mir meine Kraft zurück. Blut ist Blut.
Ich höre Geräusche, während ich schlucke, und schaue mich über den Leichnam hinweg um, ohne abzusetzen. Es wird gekämpft, mal höre ich den Murony, mal Irina aufschreien – aber sehen kann ich sie nicht.
Als nichts mehr aus der Wunde kommt, erhebe ich mich. Noch bin ich etwas unsicher auf den Beinen, doch ich spüre, wie ich mich regeneriere. Wo sind sie abgeblieben? Ich werfe mir Hemd und Hose über, steige in die Stiefel und den Parka. Kampfbereit pirsche ich durch die Bibliothek, das Labyrinth aus verrotteten Regalen. Doch sie sind beide verschwunden, der Schnee auf dem Boden der Bibliothek ist aufgewühlt.
»Wo seid ihr?« Ich spucke aus, um den Geschmack von Vieszcyblut aus dem Mund zu bekommen, und unterdrücke das Verlangen, mich zu erbrechen. Noch nicht, erst muss es seine Wirkung entfaltet haben.
Dann höre ich Irina. Sie erscheint aus einer Regalreihe einige Schritte von mir entfernt und schlägt mit dem Kurzschwert nach jemandem, den ich nicht sehe. »Du wirst mich nicht bekommen!«
»Aber ich«, rufe ich und springe sie von hinten an, die Dolchspitze dringt in ihren Rücken ein und zerteilt das Herz. Ich drehe die Klinge, höre die Rippen knacken. Sie zappelt in meinem Arm, aber ich halte sie unnachgiebig, ziehe die Schneide hervor und lasse das Blut aus der Wunde spritzen. »Ich bin besser als jeder von euch«, wispere ich in ihr Ohr. »Ihr werdet mich nicht besiegen.« Ich gebe ihr einen Stoß, gleichzeitig setze ich die Schneide an den Hals und ziehe an, so fest ich es vermag. Meine wiedererwachten Kräfte leisten Wunderbares. »Für Viktor!«
Beides zusammen reicht aus, um ihr den Kopf abzuschneiden. Der Körper macht noch zwei unbeholfene Schritte in den Ganghinein, dann stürzt er und bleibt zuckend liegen. Der Triumph über meine alte Feindin ist süßer, als ich für möglich gehalten hätte.
»Komm heraus, Murony!«, brülle ich überschwenglich. Weil es ruhig bleibt, eile ich durch die Regalreihen und folge den Spuren zur Treppe, die in die Küche führt. »Wo hast du dich verkrochen?« Meine Stiefel poltern die Stufen hinab, ich gelange in den Raum und schaue mich um.
Die Eingangstür ist geöffnet, und ich sehe gerade noch einen Schemen hinaushuschen.
Ohne zu zögern, laufe ich hinterher, über die Schwelle – und bleibe stehen.
Der Murony steht mit dem Rücken zu mir auf dem Weg, der die Anhöhe hinabführt, und richtet eine Geländemaschine auf. Er vertraut bei seiner Flucht eher der Technik als seiner Verwandlungsfähigkeit. Die Zeiten haben sich wirklich geändert …
Ich möchte einen Schritt auf ihn zumachen, da steigen über dem Wald laut krächzend die Raben aus ihren Nestern empor. Sie scheinen mir melden zu wollen, dass sich jemand zwischen den Stämmen aufhält und sich der Mühle nähert.
Die schwarzen Späher behalten recht: Aus dem Waldessaum lösen sich menschliche Umrisse und kommen langsam auf die Mühle zu. Etliche menschliche Umrisse.
Der Glatzkopf schaut hinter sich und bemerkt mich. Er gleicht einem verängstigten Tier, das in die Falle getrieben wurde. Wenn ich den Ausdruck auf seinem Antlitz richtig deute, gehören die Neuankömmlinge nicht zu ihm. Irinas Vermächtnis: Der Pakt hat das letzte Aufgebot der Vampire zur Mühle getrieben. Oder habe ich die Worte der Viesczy falsch interpretiert? Ihr Schrei kurz vor ihrer Vernichtung galt weder Irina noch dem Murony – sondern vielleicht den Gestalten, die ich sehe. Die Viesczy schließen sich nach dem Vorbild von Hexen in Zirkelnzusammen, und ich erahne, dass die Brüder und Schwester der Toten nahen.
Und doch ist dies für mich kein Grund, Furcht zu empfinden.
Ein Windhauch bringt den Mantel des Murony zum Wehen, und eine Gestalt landet gleich darauf nach einem gewaltigen Sprung im Schnee hinter ihm; glitzernd spritzt das Weiß auf. Im ersten Moment wirkt es, als sei sie aus den Wolken auf die Erde niedergefahren.
»Marek«, flüstere ich gebannt.
»Wir sind die Kinder des Judas«, grollt er und packt den Nacken des Murony mit beiden Händen. »Wir werden euch besiegen.« Er reißt ihm den Kopf von den Schultern und schleudert ihn in hohem Bogen gegen die nahenden Vampire. »Seht ihn euch an!«, schreit er und lacht sie
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