Kinder des Mars
warteten.
»Kommt mir das nur so vor oder ist der Fahrstuhl wirklich langsam?« fragte Ella.
»Es kommt dir nicht nur so vor. Und er ist nicht langsam, er steht.« Jack wies auf die Anzeige über den Türen. »Die Nummer siebzehn leuchtet beim linken schon die ganze Zeit. Entweder er steckt fest oder jemand blockiert die Türen.«
»Was ist mit dem anderen?«
»Scheint ganz ausgefallen zu sein. Bei dem leuchtet die Anzeige überhaupt nicht. Nehmen wir erstmal die Treppe ins Foyer.«
Die Türen zum Treppenaufgang waren verschlossen.
»Was, verdammt?« fluchte Jack. »Das darf nicht wahr sein.« Er sah Ella an. »Ich habe den Schlüssel für das Treppenhaus nicht dabei. Wir müssen die Garagenausfahrt nehmen.«
»Es bleibt uns wohl nichts anderes übrig«, meinte Ella.
Die Garage war mit einem Rolltor verschlossen, das sich ergeben in Bewegung setzte, als Jack mit der Fernbedienung an seinem Schlüsselbund klickte.
»Immerhin etwas. Ich hatte schon befürchtet, wir säßen in der Garage fest«, sagte Jack mürrisch.
»Seltsam ist es schon. Das Treppenhaus darf doch gar nicht verschlossen sein, schließlich ist es ein Fluchtweg.«
»Stimmt. Wir sagen das gleich Mitch!«
Sie standen in der Kälte und warteten, dass sich das Rolltor wieder hinter ihnen schloss. Es schneite noch immer. Auf der Straße war der Schnee bereits in dreckigen Matsch übergegangen.
Jack und Ella stapften durch das dick auf dem Gehweg liegende Weiß zum Eingang des schicken Appartementhauses. Es waren nur wenige Meter, aber es reichte für die Flocken, sich in Ellas Haar niederzulassen. Dort schmolzen sie beim Betreten der Eingangshalle.
Ein kalter Windhauch folgte ihnen, als Jack die schwere Glastür aufdrückte und sie in das von Deckenstrahlern erleuchtete Foyer traten. Ella kniff unwillkürlich die Augen zusammen. Draußen war es bereits dunkel. Zahllose Lichter von Autos und Fenstern blinkten durch den Abend und setzten sich gegen die blau-schwarzen Wolken am Himmel ab. Drinnen gab es keine Spur von Winternacht. Es war hell und warm.
Ella wischte ihre schneematschverdreckten Stiefelsohlen an der großen Matte ab, die gleich hinter der Tür lag, bevor sie über den grünen Marmorboden zum Empfang ging. Mitch Lewis, einer der Wachmänner, die hier rund um die Uhr Dienst taten, saß linkerhand hinter seinem langen Schreibtisch und beobachtete mehrere Monitore. Er trug eine schlichte blaue Uniform und ein weißes Hemd darunter. An der linken Brusttasche des Jackets war sein Namensschild angepinnt.
»Hallo Mitch! Frohes Thanksgiving.«
»Hi Ella. Viel Spaß beim Familienessen. Hi Jack.«
»Hey, Mitch.«
Ella kannte das schicke Hochhaus im Zentrum New Yorks und seine Wachmänner, seit sie ein kleines Kind war. Es waren meist die vier gleichen, die sich die Schichten teilten, und nur im Urlaub oder in Krankheitsfällen vertreten wurden. Selbst diese Vetretungen waren alte Bekannte. Selten schickte die Sicherheitsfirma ein neues Gesicht zur Aushilfe, das sich dann nie wieder blicken ließ.
Natürlich hatte sich die Stammbesetzung in den letzten fünfzehn Jahren geändert. Von dem ursprünglichen Team war nur noch David Brennan da. Doch die Neuen, die hinzukamen, blieben für gewöhnlich. Das lag nicht zuletzt an dem Wunsch der Bewohner, ihre Wachleute zu kennen. Sie fühlten sich sicherer, wenn sie wussten, wer da unten aufpasste, auch wenn sie weder Mitch noch David und die anderen wirklich kannten. Es war die Routine, die eine Art Vertrauen aufbaute. Mitch Lewis war der jüngste im Team, knapp über dreißig, und hatte im Sommer geheiratet.
»Wie geht es deiner Frau?« erkundigte sich Ella.
»Großartig. Sie ist im vierten Monat schwanger.« Mitch strahlte über das ganze Gesicht.
»Herzlichen Glückwunsch! Das freut mich für euch. Bestell ihr schöne Grüße.«
»Mach ich. Und wie geht es dir?«
Mitch hatte vor fünf Jahren den Dienst aufgenommen. Ella war da schon sechzehn und kein Kind mehr gewesen, doch alte Gewohnheiten lassen sich nur schwer ablegen. Sie duzte alle Wachmänner und wollte weiterhin selbst im lockeren Umgangston mit ihrem Vornamen angeredet werden, so als sei sie, zumindest hier, noch immer das kleine Mädchen, das sie einmal gewesen war.
Auf dem Gelände ihrer Universität in Los Angeles gab es ebenfalls einen Wachdienst, doch das war nicht dasselbe. Dort kannte keiner ihren Namen, sie war nur eine weitere von vielen tausend Studenten. Die Unwissenheit beruhte auf Gegenseitigkeit. Auch Ella kannte
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