Kinder des Mars
von George Fullers Appartement.«
»Sehr gut, du musst mir gleich die Adresse geben. Was ist die schlechte Nachricht?«
»Ich habe keine Ahnung, wo Victoria steckt. Eine Kreditkarte hat sie zum letzten Mal gestern benutzt, seither war sie an keinem Geldautomaten und ihr Handy kann ich auch nicht orten, sorry. Muss wohl ausgeschaltet sein oder das GPS ist kaputt.« Das ehrliche Bedauern in Billies Stimme war nicht zu überhören.
»Du hast versucht, ihr Handy aufzuspüren?« frage Vivian überrascht.
»Klar, kein Problem eigentlich. Du hast mir ihren Namen und ihren Geburtstag gegeben. Damit kann man alles über eine Person in Erfahrung bringen, denn diese zwei Dinge müssen bei jedem Vertragsabschluss angegeben werden und ändern sich nicht so häufig wie zum Beispiel der Wohnort oder der Beruf. Das ist so zuverlässig wie die Sozialversicherungsnummer, aber wenn ich Namen und Geburtsdatum habe, brauche ich die Nummer schon nicht mehr. Bei jeglichen Bankgeschäften sind diese Auskünfte immer Pflicht und werden sogar durch einen gültigen Ausweis überprüft. Ein Handy kann man zwar mit einer Prepaidkarte betreiben, und das ist schwer aufzuspüren, aber deine Schwester hat einen festen Vertrag. So ist sie in Datenbanken superleicht zu finden.«
»Wie ein Glühwürmchen im Dunkeln«, kommentierte Vivian.
»So kann man es auch nennen. Kritiker sagen dazu 'Der gläserne Mensch'. Sicher nicht so gut für die Privatssphäre, denn es erleichtert nicht nur der Polizei, sondern auch den Kriminellen ihr Geschäft.«
»So wie uns, meinst du.«
»Unsinn. Wir sind so etwas wie die Polizei. Oder der Secret Service. CIA für Unsterbliche.«
»Genau genommen ist es trotzdem illegal, denn wir sind nicht von der Regierung dazu befugt«, gestand Vivian.
»Die Regierungen wissen oft nicht, was ihre Geheimdienste eigentlich tun, und wollen es auch gar nicht wissen, weil sie die Drecksarbeit erledigen. So wie wir. Wir räumen auf. Außerdem ist Victoria kein Mensch und kann nicht deren Datenschutzgesetze für sich in Anspruch nehmen.«
»Jack Fuller schon«, sagte Vivian rücksichtsvoll. Billies Mutter war ein Mensch und er noch sehr jung. Er hatte sich von der Welt der Sterblichen bis jetzt nicht komplett abgenabelt.
»Was auch immer du vorhast ist sicher zu seinem Besten, oder liege ich falsch?« fragte Billie.
»Nein.«
»Dann dürfen wir meiner Meinung nach herzlich gerne seine Daten hacken.«
»Vor kurzem hast du noch anders darüber gedacht.«
»Zu viel Moral ist genauso schlecht wie gar keine. Jordan hatte Recht, die Typen in der Area 51 haben den Tod verdient. Sie gestehen uns keinerlei Rechte zu, haben unsere Art einfach aufgeschnitten und seziert, und hätten dasselbe mit uns gemacht, hätten sie die Chance gehabt. Sie waren nicht unschuldig, sondern haben sich das, was passiert ist, selbst eingebrockt, das habe ich inzwischen eingesehen. Willst du nun den Namen des Hotels und die Adresse oder nicht?«
»Ja, bitte.«
Das Hotel war nicht weit entfernt und Vivian konnte Victorias Parfüm an der Außenfassade verfolgen. Sie spähte durch die Balkontür herein und sah Victoria mit Jack im Bett. Dieses Bild genügte ihr. Vivian konnte sich lebhaft vorstellen, dass Victoria nicht nur mit Jack schlief, sondern ein perfides Spiel trieb, auch ohne dass sie die beiden länger beobachtete und belauschte. Es war an der Zeit, Victoria loszuwerden.
Vivian hatte Logan und Jamie Punkt acht ins Büro bestellt. Die ganze Nacht hatte sie sich den Kopf über Victorias Abmarsch und ihre Zweisamkeit mit Jack Fuller zerbrochen, schließlich mit Mars und dann ihren beiden zuverlässigsten Mitarbeitern telefoniert.
»Ich vertraue euch. Wir kennen uns schon eine Weile, ihr bewahrt stets einen kühlen Kopf und habt Führungsqualitäten. Darum werdet ihr die Firma leiten, bis ich zurück bin. Dringende Familienangelegenheiten werden mich in der nächsten Zeit beanspruchen. Das ist im Moment meine wichtigste Aufgabe. Um alle anderen Aufträge kümmert ihr euch.«
Logan nickte.
Jamie sah skeptisch drein. »Was ist so wichtig?«
»Meine kleine Schwester macht Ärger.«
»Uh, das bedeutet nichts Gutes.«
»Du kannst dich auf uns verlassen«, sagte Logan. »Mach dir keine Sorgen. Wir halten die Stellung, bis du zurück bist.«
Vivian sah ihn lange an. Logan war ihr Fels in der Brandung. Er war einst weit mehr gewesen, doch ihre Wege hatten sich getrennt und Vivian es für unmöglich gehalten, miteinander zu leben. Seltsam, dass sie
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