Kinder des Monsuns
Geschwistern, der einzige Junge in einer Mittelschichtfamilie Jakartas, hatte das militärische Milieu mit der Muttermilch aufgesogen, war zu den Aufmärschen gegangen und hatte die Uniform seines Vaters bewundert. General Suharto bis zum Ende treu ergeben und stets bereit, sich für das Vaterland zu opfern, hatte der Hauptmann fast seine ganze Karriere lang in der Verwaltung gedient. Dass seine Anwesenheit auf dem Schlachtfeld nie erforderlich gewesen war, erschien ihm nicht als Makel seiner Laufbahn, weil »die Schlachten in der Etappe gewonnen werden«, wie er sagt. Selbstverständlich habe er nicht darauf bestanden, dass sein Sohn eines Tages in seine Fußstapfen trat und zur Armee ging, wenn er auch selbst als junger Bursche in den Streitkräften einen Platz fürs Leben gefunden hatte. Doch Teddy hatte ihm mit einer ausreichenden Dosis Patriotismus erklärt, lieber Brücken und Straßen bauen und mithelfen zu wollen, aus Indonesien ein modernes und starkes Land zu machen – und nahm seinem |130| Vater damit den Wind aus den Segeln. Der Junge würde ein ziviler Ingenieur werden.
Teddy war schon als kleiner Junge nicht auf den Mund gefallen. Er war ein reges Kind, das auf die Schultern des Hauptmanns genommen werden wollte, wann es ihm gerade in den Sinn kam, er beaufsichtigte seit der zweiten Klasse Schülergruppen und wurde später Vizepräsident des Studentenrats seiner Fakultät. Als nach dem Tod von vier Studenten, die von Sicherheitskräften an der Universität Trisakti in Jakarta erschossen worden waren, die massiven Demonstrationen gegen Suharto begannen, schloss er sich dem Kampf an. Er spürte den historischen Augenblick und glaubte, etwas verändern zu können. Jeden Nachmittag traf er sich mit anderen in der Fakultät und organisierte die Proteste mit detaillierten Karten der Straßen, Brücken und Infrastruktur, die er aus dem Institut entliehen hatte. Er rief andere Universitäten zur Koordinierung der Märsche auf und sammelte Geld für die Plakate und die Anmietung von Bussen.
Wenn er nach Hause kam und ihn seine Eltern fragten, wie sein Tag gewesen war, erzählte er vom Studium, von Prüfungen und Freunden und schwieg, wenn sein Vater über die Studenten herzog, weil sie mit nichts zufriedenzustellen seien. Teddy wollte ihm den Kummer der Wahrheit ersparen. Seine Kommilitonen wussten das, daher wollte niemand zur Familie des gefallenen Freundes gehen, um die Nachricht seines Todes zu überbringen. Wie sollte man dem Hauptmann verständlich machen, dass sein Sohn bei der Konfrontation an der Semaggi-Brücke dabei gewesen war?
Maria dagegen war es nie wichtig gewesen, dass ihr Sohn an den Demonstrationen teilgenommen hatte. Für sie war es die Entscheidung eines idealistischen und unbesonnenen Jungen, ein waghalsiges Abenteuer, das sie auf sein Alter schob. Die Schuld konnte nur bei denen liegen, die den Abzug gedrückt hatten, und, vor allem, bei demjenigen, der den Schießbefehl erteilt hatte.
Wenn sie gelegentlich eine Anwandlung von Mut überkam, präsentierte sie ihrem Mann die letzten Funde der Mütter von Semanggi |131| , doch in jüngster Zeit hatte sie damit aufgehört, denn es führte nur dazu, dass sich die Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte, noch vergrößerte und sich die Widersprüche, die den Hauptmann quälten, noch verstärkten. Letzten Endes war es die Treue von Soldaten wie Samsudin gewesen, die es Suharto erlaubt hatte, sich drei Jahrzehnte an der Spitze des Landes zu behaupten. Von ihm nun einen Meinungswandel zu verlangen, war so, als fordere man ihn auf, alles aufzugeben, was sein Leben ausgemacht hatte.
Während ich mit dem Hauptmann über seinen Sohn spreche, erscheint Maria immer wieder im Wohnzimmer, spürt die missbilligenden Blicke ihres Mannes und zieht sich zurück. Ich habe mit ihr vor einigen Stunden am Telefon gesprochen. Sie ist froh, dass ein Journalist sich für die Vorfälle interessiert. Sie hat mir erzählt, dass sie nicht ruhen wird, bis sie die Schuldigen auf der Anklagebank sitzen sieht. Jedes Mal, wenn sie kommt, um Tee nachzuschenken, sagen mir ihre Blicke: »Glauben Sie nicht, was Sie hören, es ist nicht wahr. Edi ist kein schlechter Mensch, nur ein gepeinigter. Auch er weiß, wer unseren Sohn getötet hat.«
Herr Samsudin zeigt mir das Familienalbum. Er beginnt mit den Fotos von der Hochzeit der Samsudins, der Geburt der Kinder, Teddys Diplomfeier an der Fakultät, und plötzlich hält er bei einem Bild inne, das die ganze Seite
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