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Kinder des Monsuns

Kinder des Monsuns

Titel: Kinder des Monsuns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Jimenez
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das Haus umzingelt. In dieser Situation hätte John Wayne einen Glimmstängel geraucht, die verbliebenen Kugeln in seinem Magazin gezählt und darauf gewartet, dass die Banditen hereinkommen, um einen Drink zu nehmen. Ich versuche, dem Rat meines Wirtes zu folgen und mich unter das Bett zu zwängen, doch der Zwischenraum ist zu klein.
    Ich habe Angst.
    Es ist nicht das mulmige Gefühl, das man spürt, wenn man einen Gruselvideo mit nach Hause nimmt, auch nicht die Angst, die man hat, wenn der Schläger der Schule verspricht, einem nachher vor dem Tor die Hucke vollzuhauen. Es ist eine unbekannte Angst, die ich, als ich über andere Konflikte berichtete, nie wieder verspürt habe. Mit der Zeit habe ich begriffen, dass es die Angst ist, die man empfindet, wenn man die Gewissheit hat, dass man ans Ende der Reise gelangt ist. Mir zittern die Knie, ich laufe ohne Sinn und Verstand im Zimmer herum, meine Gedanken rasen. Ich denke an all das, was ich immer machen wollte, aber nie getan habe. Ich denke an Carmen und meine Familie. Ich stelle mir vor, wie es sein wird. Wird es schnell vorüber sein, oder werden sie sich noch ein paar Stündchen mit mir vergnügen, bevor sie mit meinem australisch aussehenden Kopf aus Barcelona Fußball spielen?
    Ich höre ein Pochen an der Zimmertür. Mir stockt das Herz. Sie sind hier, jetzt gibt es kein Entrinnen mehr. Dann vernehme ich einen Satz, der mich verwirrt: »Machen Sie auf, wir sind gekommen, um Sie zu retten.«
    Mich retten? Als ich die Tür öffne, ergreift mich ein Trupp bewaffneter Männer und schleift mich mit Maschinengewehren im Anschlag durch den Flur. Draußen wartet ein Pickup mit weiteren Soldaten, die unseren Rückzug decken. Sie hieven mich auf die Pritsche, und hupend machen wir uns aus dem Staub. Noch immer sehe ich die Enttäuschung auf den Gesichtern dieser Horde Wilder vor mir, als sie mit ansehen müssen, wie man ihnen das Fest vermiest. |124| Die Beute ist entwischt. Der Pensionswirt, den ich nicht einmal nach seinem Namen fragen konnte und nie wiedergesehen habe, hatte in letzter Minute bei einem Freund auf dem Polizeirevier der Stadt angerufen und mir damit das Leben gerettet. Vielleicht hatte er auch nur Angst, dass die Miliz sein Gasthaus stürmen würde und war um sein Geschäft besorgt. Ich muss eines Tages nach Atambua zurückkehren, um ihn danach zu fragen und mich bei ihm zu bedanken.
    Tage nach diesem Schrecken kam ich mit den ersten australischen Soldaten und einer Gruppe von Kollegen verschiedener Zeitungen nach Osttimor. Um eine Zerstörung vergleichbaren Ausmaßes zu sehen, müsste sich schon die größte Naturkatastrophe unserer Zeit wiederholen und der gewaltige Tsunami zurückkommen, der im Dezember 2004 die Küsten des Indischen Ozeans verwüstete. Ein ums andere Haus, alle öffentlichen Gebäude und Privathäuser, die keine indonesische Fahne trugen, wurden abgefackelt und liegen in Ruinen. Später, nach der Bestandsaufnahme der Schäden, erfahren wir, dass acht von zehn Häusern im ganzen Land zerstört wurden. Tausende Menschen, die sich die letzten Tage über versteckt haben, kommen wie Phantasmen aus dem Nichts. Sie reihen sich am Eingang der Hauptstadt von Dili zu beiden Seiten der Straße und empfangen uns nach anfänglicher Scheu mit Jubel.
    Nachdem sie das Land dem Erdboden gleichgemacht haben, warten die letzten indonesischen Soldaten im Hafen gedemütigt auf ihre Ausschiffung, um dieses Stück des Puzzles, das nie passen wollte, zu verlassen. War Indonesien dazu verurteilt, vollständig auseinanderzubrechen? Ein weiterer gescheiterter Staat, entstanden aus den mutwillig gezogenen Grenzen der Kolonialmächte und den Träumen größenwahnsinniger Diktatoren? War mein geliebtes Indonesien am Ende nur ein fiktives Vaterland?
    *
    Die Studentenproteste gegen die Regierung gingen – ohne Teddys Beteiligung – noch einige Zeit weiter. Sie protestierten gegen fast |125| alles, von den Übergriffen in Osttimor bis zur Korruption und der Langsamkeit der demokratischen Reformen, die ungeachtet der Ungeduld der Studenten nach und nach Gestalt annahmen. In diesen revolutionären Tagen war alles möglich, an den Monsunnachmittagen schien es über Jakarta Opium zu regnen. In wenigen Stunden schlug die Stimmung in der Stadt von Gewaltbereitschaft zu Feierlaune um. Für die Studenten gab es keine Grenzen, sie fühlten sich stark genug, die Politiker in die Knie zu zwingen, die Indonesien so lange ruiniert hatten. Zur beliebtesten

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