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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Adliger zu Fuß war kein ungewöhnlicher Anblick, vor allem nicht im Viertel der Kaufleute, wo sich zusammen mit den Adligen mehr oder weniger glückliche Skaa auf den Straßen befanden, auch wenn jede Gruppe sich bemühte, die andere nicht wahrzunehmen.
    Geduld. Ich muss nicht schnell sein. Wenn sie von ihm wissen, ist er sowieso schon tot.
    Kelsier betrat einen großen Platz an einer Straßenkreuzung. Vier Quellen befanden sich an seinen Ecken, und in der Mitte erhob sich ein großer Kupferbrunnen, dessen grüner Überzug vom schwarzen Ruß gesprenkelt war. Die Statue auf ihm stellte den Obersten Herrscher dar, der theatralisch in Mantel und Rüstung dastand; vor seinen Füßen lag tot im Wasser der formlose Dunkelgrund.
    Kelsier ging an der Fontäne vorbei, deren Wasser von einem kürzlich erfolgten Ascheregen gefleckt war. Skaa-Bettler riefen aus den Seitenstraßen; ihre erbarmungswürdigen Stimmen befanden sich auf einer feinen Grenzlinie zwischen Hörbarkeit und Belästigung. Der Oberste Herrscher ertrug sie kaum; nur Skaa mit körperlichen Missbildungen war das Betteln erlaubt. Um ihr trauriges Leben beneideten sie nicht einmal die Plantagen-Skaa.
    Kelsier warf ihnen ein paar Klipser zu und ging weiter. Es kümmerte ihn nicht, dass er dadurch die Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Drei Straßen weiter fand er eine viel kleinere Kreuzung. Sie wurde ebenfalls von Bettlern eingerahmt, doch hier stand kein Springbrunnen, und an den Ecken befanden sich keine Quellen, die die Bewohner anlockten.
    Die Bettler hier waren noch bemitleidenswerter; es waren jene traurigen Individuen, denen es nicht gelungen war, sich eine Stelle auf einem der größeren Plätze zu erkämpfen. Unterernährte Kinder und verwelkte Erwachsene riefen mit angespannter Stimme; Männer, denen zwei oder mehr Glieder fehlten, kauerten in den Ecken; ihre rußschwarzen Gestalten waren in den Schatten beinahe unsichtbar.
    Reflexartig griff Kelsier nach seiner Geldbörse.
Halte dich zurück,
sagte er zu sich selbst.
Du kannst sie nicht alle retten, nicht mit deinem Geld. Ihre Zeit wird kommen, wenn das Letzte Reich untergegangen ist.
    Kelsier beachtete die erbarmungswürdigen Rufe nicht - die lauter wurden, als die Bettler erkannten, dass er sie ansah -, doch er schaute in ein Gesicht nach dem anderen. Camon hatte er damals nur kurz gesehen, aber er glaubte, dass er den Mann wiedererkennen würde. Doch keines der Gesichter passte zu ihm, und keiner der Bettler hatte Camons Körperumfang, der auch nach einigen Wochen des Hungerns noch hätte auffallen müssen.
    Er ist nicht hier,
dachte Kelsier enttäuscht. Kelsiers Befehl an den neuen Bandenführer Milev, aus Camon einen Bettler zu machen, war ausgeführt worden; Docksohn hatte sich persönlich davon überzeugt.
    Vielleicht hatte Camon inzwischen einen besseren Platz gefunden. Oder das Ministerium hatte ihn entdeckt. Kurz stand Kelsier schweigend da und lauschte dem unheimlichen Jammern der Bettler. Einige Rußflocken fielen vom Himmel nieder.
    Irgendetwas stimmte hier nicht. Es befanden sich keine Bettler im nördlichen Bereich der Wegkreuzung. Kelsier verbrannte Zinn und roch Blut in der Luft.
    Er zog sich die Schuhe aus und nahm zuerst seinen Gürtel und dann seine Mantelschnalle ab. Das elegante Kleidungsstück fiel auf das Pflaster. Danach blieb nur noch das Metall in seiner Geldbörse übrig. Er schüttete sich ein paar Münzen in die Hand; den ganzen Rest ließ er für die Bettler zurück.
    Der Gestank des Todes wurde stärker, doch Kelsier hörte nichts als die hastenden Bettler hinter sich. Er begab sich auf die nach Norden führende Straße und bemerkte eine schmale Gasse, die nach links abzweigte. Kelsier holte tief Luft, fachte sein Weißblech an und huschte in die Gasse.
    Eng und dunkel war es hier, und Asche und Abfall bedeckten das Pflaster. Niemand erwartete ihn - zumindest kein lebendes Wesen.
    Camon, der zum Bettler gewordene Bandenführer, hing still an einem Seil, das von hoch oben herabbaumelte. Sein Leichnam drehte sich sanft in einer Brise, und Ascheflocken umtanzten ihn. Er war nicht auf die herkömmliche Art aufgeknüpft worden. Am unteren Ende des Seils war ein Haken angebracht, den man ihm in die Kehle gerammt hatte. Das blutige Ende des Hakens ragte aus der Haut unterhalb des Kinns hervor. Camon schwang mit zurückgelegtem Kopf umher, das Seil stak ihm aus dem Mund. Seine Hände waren gefesselt; sein massiger Körper zeigte Spuren von Folter.
Das ist nicht gut.
    Etwas schabte

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