Kinder Des Nebels
seinen starken Armen auf dem Stein abstützte. »Du hast dich um einige Tage verspätet, Kell.«
»Ich hatte mich entschieden, ein paar zusätzliche Aufenthalte in den Plantagen im Norden einzulegen.«
»Ah«, meinte Docksohn. »Also hast du doch etwas mit Graf Trestings Tod zu tun.«
Kelsier lächelte. »Das könnte man so sagen.«
»Seine Ermordung hat unter den örtlichen Adligen für ziemlich großen Aufruhr gesorgt.«
»Das war der Sinn der Sache«, erwiderte Kelsier. »Aber, um ehrlich zu sein, hatte ich ursprünglich nichts so Drastisches geplant. Es hat sich rein zufällig ergeben.«
Docksohn hob eine Braue. »Wie bringt man ›zufällig‹ einen Adligen in seinem eigenen Haus um?«
»Indem man ihm ein Messer in die Brust rammt«, antwortete Kelsier leichthin. »Oder besser gleich mehrere Messer. Sorgfalt zahlt sich immer aus.«
Docksohn rollte mit den Augen.
»Sein Tod ist kein Verlust, Dox«, sagte Kelsier. »Nicht einmal in den Kreisen der Adligen. Tresting stand im Ruf, grausam zu sein.«
»Tresting ist mir egal«, entgegnete Docksohn. »Ich dachte nur gerade darüber nach, welcher Wahnsinn mich dazu gebracht hat, zusammen mit dir eine neue Sache zu planen. Einen von seinen Wächtern umgebenen Provinzgrafen in seinem Herrenhaus anzugreifen ... Ehrlich, Kell, ich hatte vergessen, wie tollkühn du sein kannst.«
»Tollkühn?«, fragte Kelsier mit einem Lachen. »Das war nicht tollkühn. Es war bloß ein kleines Ablenkungsmanöver. Wenn du wüsstest, was ich noch alles vorhabe!«
Docksohn stand einen Atemzug lang reglos da, dann lachte er ebenfalls. »Beim Obersten Herrscher, es ist schön, dass du wieder hier bist, Kell! Ich fürchte, ich bin in den letzten Jahren ein ziemlich langweiliger Geselle geworden.«
»Das lässt sich ändern«, versprach Kelsier. Er holte tief Luft, während die Asche sanft um ihn niederging. Die Säuberungstrupps der Skaa waren unten auf der Straße bereits wieder an der Arbeit und fegten die dunklen Flocken zusammen. Hinter ihnen ging eine Patrouille vorbei und nickte Kelsier und Docksohn zu. Die beiden warteten schweigend, bis die Soldaten außer Sichtweite waren.
»Es ist gut, wieder hier zu sein«, sagte Kelsier schließlich. »Luthadel hat etwas Heimeliges an sich, auch wenn es eine erbärmliche, öde Grube von einer Stadt ist. Hast du das Treffen organisiert?«
Docksohn nickte. »Wir können aber erst heute Abend anfangen. Wie bist du übrigens in die Stadt gekommen? Ich hatte meine Wachen an den Toren postiert.«
»Hmm? Ach, ich habe mich in der letzten Nacht hereingestohlen.«
»Aber wie ...« Docksohn verstummte. »Ah ja. Daran werde ich mich noch gewöhnen müssen.«
Kelsier zuckte die Achseln. »Warum denn? Du hast doch immer schon mit Nebelingen gearbeitet.«
»Ja, aber das hier ist etwas anderes«, meinte Docksohn. Er hob die Hand, um weitere Einwände zu unterbinden. »Nicht nötig, Kell. Ich will mich nicht mit dir streiten. Ich habe nur gesagt, dass es einer gewissen Gewöhnung bedarf.«
»Prima. Wer kommt heute Nacht?«
»Also, Weher und Hamm werden natürlich da sein. Sie sind sehr neugierig auf diese neue Sache. Ich brauche wohl kaum zu betonen, dass sie ziemlich verärgert sein werden, weil ich ihnen nicht verraten habe, was du in den letzten Jahren getrieben hast.«
»Gut«, sagte Kelsier und lächelte. »Dann haben sie etwas, worüber sie nachdenken können. Was ist mit Faller?«
Docksohn schüttelte den Kopf. »Faller ist tot. Vor ein paar Monaten hat ihn das Ministerium erwischt. Man hat sich nicht einmal die Mühe gemacht, ihn in die Gruben zu schicken. Sie haben ihn an Ort und Stelle geköpft.«
Kelsier schloss die Augen und stieß leise die Luft aus. Es hatte den Anschein, dass das Stahlministerium jeden irgendwann schnappte. Manchmal glaubte Kelsier, im Leben eines Skaa-Nebelings ginge es nicht darum zu überleben, sondern nur darum, den richtigen Zeitpunkt für den eigenen Tod zu finden.
»Dann haben wir also keinen Raucher«, meinte Kelsier schließlich und öffnete die Augen wieder. »Hast du einen Vorschlag?«
»Röti«, meinte Docksohn.
Kelsier schüttelte den Kopf. »Nein. Er ist zwar ein guter Raucher, aber als Mensch ist er nicht gut genug.«
Docksohn lächelte. »Ein Mensch, der nicht gut genug ist, um bei einer Diebesbande mitzumachen ... Kell, ich habe es wirklich vermisst, mit dir zusammenzuarbeiten. Also gut, wer dann?«
Kelsier dachte eine Weile nach. »Hat Keuler noch seinen Laden?«
»Soweit ich weiß,
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