Kinder Des Nebels
gründen. Der arme Meister Hammond ist nun schon seit Monaten von seiner Frau getrennt.«
»Hamm ist
verheiratet?«
»Natürlich«, sagte Sazed. »Und Meister Yeden auch, glaube ich. Sie schützen ihre Familien, indem sie diese von allen Aktivitäten des Untergrunds fernhalten, aber das macht es notwendig, dass sie lange Zeitspannen von ihnen getrennt verbringen.«
»Und wer sonst noch?«, fragte Vin. »Weher? Docksohn?«
»Meister Weher ist etwas
zu ...
selbstbezogen, um eine Familie zu gründen, glaube ich. Meister Docksohn redet nicht über die romantische Seite seines Lebens, aber ich vermute, dass es in seiner Vergangenheit ein schmerzhaftes Ereignis gab. Wie man erwarten kann, ist das bei Plantagen-Skaa nicht ungewöhnlich.«
»Docksohn kommt von einer Plantage?«, fragte Vin überrascht.
»Natürlich. Redet Ihr denn nie mit Euren Freunden, Herrin?«
Freunde. Ich habe Freunde.
Das war für sie eine seltsame Erkenntnis.
»Jedenfalls sollte ich jetzt mit meiner Arbeit fortfahren«, sagte Sazed. »Es tut mir leid, dass ich so abweisend bin, aber ich habe die Übersetzung beinahe beendet ...«
»Natürlich«, erwiderte Vin. Sie stand auf und glättete ihr Kleid. »Vielen Dank.«
*
Sie traf Docksohn im Gästearbeitszimmer an, wo er still ein Blatt Papier beschrieb; neben ihm lag auf dem Schreibtisch ein säuberlicher Stapel Dokumente. Er trug den üblichen Anzug eines Adligen und wirkte in dieser Kleidung immer viel natürlicher als die anderen. Kelsier war elegant, Weher untadelig und verschwenderisch, aber Docksohn ... er sah in seinem Anzug einfach nur natürlich aus.
Als sie eintrat, schaute er auf. »Vin? Es tut mir leid, ich hätte nach dir rufen lassen sollen. Irgendwie war ich der Meinung, du seiest nicht da.«
»Das bin ich in der Tat oft nicht«, sagte sie und schloss die Tür hinter sich. »Aber heute bin ich zu Hause geblieben. Manchmal ist es einfach nur ärgerlich, dem Geplapper der Adelsdamen beim Mittagessen zuhören zu müssen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, sagte Docksohn und lächelte. »Setz dich.«
Vin nickte und betrat den Raum. Er war mit warmen Farben und dunklen Hölzern dekoriert, und es war still hier. Zwar war die Sonne noch nicht ganz untergegangen, aber Docksohn hatte bereits die Vorhänge zugezogen und arbeitete bei Kerzenschein.
»Gibt es Nachrichten von Kelsier?« fragte Vin.
»Nein«, sagte Docksohn und legte die Dokumente beiseite. »Aber das ist nicht ungewöhnlich. Er wollte nicht sehr lange in den Höhlen bleiben, also wäre es dumm gewesen, einen Boten zu uns zurückzuschicken. Als Allomant ist er möglicherweise schneller wieder hier als ein Reiter. Ich nehme an, dass er sich bloß um ein paar Tage verspäten wird. Schließlich reden wir hier über Kell.«
Vin nickte und saß eine Weile schweigend da. Mit Docksohn hatte sie bisher nicht so viel Zeit verbracht wie mit Kelsier und Sazed - oder mit Hamm und Weher. Er schien aber ein freundlicher Mann zu sein. Sehr in sich ruhend und ziemlich klug. Während die meisten zu dem Unternehmen irgendeine allomantische Kraft beisteuerten, war Docksohn so wertvoll, weil er ein großes Organisationstalent besaß.
Wenn etwas gekauft werden musste - Vins Kleider zum Beispiel -, dann kümmerte sich Docksohn darum. Wenn ein Haus gemietet, Vorrat beschafft oder eine Erlaubnis eingeholt werden musste, dann war das Docksohns Arbeit. Er kämpfte nicht an der Front mit, betrog keine Adligen, focht nicht im Nebel und rekrutierte keine Soldaten. Doch Vin nahm an, dass ohne ihn die ganze Mannschaft auseinanderbrechen würde.
Er ist ein netter Mensch,
sagte sie zu sich selbst.
Er wird mir nicht böse sein, wenn ich ihn frage.
»Dox, wie ist es, auf einer Plantage zu leben?«
»Hmm? Auf einer Plantage?«
Vin nickte. »Du bist doch auf einer aufgewachsen, oder? Du bist ein Plantagen-Skaa, nicht wahr?«
»Ja«, bestätigte Docksohn. »Oder zumindest war ich das. Wie es war? Ich bin mir nicht sicher, was ich darauf antworten soll, Vin. Es war ein hartes Leben, aber die meisten Skaa führen ein hartes Leben. Es war mir nicht erlaubt, die Plantage zu verlassen oder mich auch nur allein außerhalb der Hütten aufzuhalten. Wir haben regelmäßigere Mahlzeiten bekommen als die meisten Straßen-Skaa, aber wir haben genauso hart geschuftet wie jeder Mühlenarbeiter. Vielleicht sogar noch härter.
Die Plantagen unterscheiden sich stark von den Städten. Da draußen ist jeder Graf sein eigener Herr. Grundsätzlich gehören die Skaa zwar
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