Kinder Des Nebels
ihrem Gespräch zuwandte. Vin warf einen raschen Blick zur Seite und versuchte zu entkommen, doch Schan stand genau vor ihr.
Schan lächelte. »Ah, Graf Milen«, sagte sie zu Vins Begleiter, »es ist eine Schande, dass Eure ursprüngliche Balldame erkrankt ist. Anscheinend blieb Euch kaum eine andere Wahl.«
Milen errötete, denn Schans Bemerkung brachte ihn in eine schwierige Lage. Würde er den Zorn dieser sehr mächtigen Dame spüren, wenn er Vin verteidigte? Aber wenn er Schan zustimmte, würde er seine Begleiterin beleidigen.
Er wählte den Ausweg des Feiglings: Er beachtete diese Bemerkung gar nicht. »Herrin Schan, es ist uns eine Freude, dass Ihr bei uns seid.«
»Allerdings«, meinte Schan sanft. In ihren Augen blitzte es vor Vergnügen, als sie Vins Unbehagen sah.
Verfluchte Frau!,
dachte Vin. Immer wenn es Schan langweilig wurde, schien sie Vin aufzusuchen und sie zum Spaß in Verlegenheit zu bringen.
»Wie dem auch sei«, fuhr Schan fort, »ich fürchte, ich bin nicht zum Plaudern hergekommen. Es ist mir zwar unangenehm, aber ich habe mit dem Renoux-Kind etwas zu besprechen. Wollt Ihr uns bitte entschuldigen?«
»Selbstverständlich, meine Dame«, sagte Milen und wich einen Schritt zurück. »Herrin Valette, vielen Dank für Eure Gegenwart heute Abend.«
Vin nickte ihm und den anderen zu und fühlte sich ein wenig wie ein verwundetes Tier, das von der Herde zurückgelassen wird. Heute Abend wollte sie wirklich nichts mit Schan zu tun haben.
»Herrin Schan«, sagte Vin, als sie allein waren. »Ich glaube, Euer Interesse an mir ist unbegründet. Ich habe in der letzten Zeit Elant kaum mehr gesehen.«
»Ich weiß«, erwiderte Schan. »Anscheinend habe ich deine Fähigkeiten überschätzt, mein Kind. Man sollte doch glauben, dass du einen Mann, der so viel wichtiger ist als du selbst, nicht mehr so leicht entwischen lässt, sobald du seine Aufmerksamkeit erregt hast.«
Sollte sie denn nicht eifersüchtig sein?,
dachte Vin und unterdrückte ein Zucken, als sie die unausweichliche Berührung durch Schans allomantische Kraft in ihren Gefühlen spürte.
Sollte sie mich nicht dafür hassen, dass ich ihren Platz eingenommen habe?
Doch das war nicht die Art der Adligen. Vin war nichts - höchstens eine vorübergehende Ablenkung. Schan war nicht daran interessiert, Elants Zuneigung wiederzuerlangen; sie wollte es nur dem Mann heimzahlen, der sie erniedrigt hatte.
»Ein kluges Mädchen würde den einzigen Vorteil, den es hat, zu seinem Nutzen einsetzen«, sagte Schan. »Wenn du glaubst, dass andere wichtige Adlige dir irgendeine Aufmerksamkeit schenken, dann irrst du dich. Elant liebt es, den Hof zu schockieren, und natürlich hat er das mit der langweiligsten und schwerfälligsten Frau getan, die er finden konnte. Ergreife diese Gelegenheit, denn so schnell findest du keine andere.«
Vin biss die Zähne zusammen und versuchte sich sowohl gegen die Beleidigungen als auch gegen Schans Allomantie unempfindlich zu machen. Schan hatte offensichtlich eine Kunst daraus gemacht, den Leuten all jene Kränkungen aufzuzwingen, an denen sie gerade Freude hatte.
»Und jetzt brauche ich Informationen über gewisse Texte, die Elant in seinem Besitz hat«, fuhr Schan fort. »Du kannst doch lesen, oder?«
Vin nickte knapp.
»Gut«, sagte Schan. »Du brauchst dir bloß die Titel seiner Bücher zu merken. Schau dafür aber nicht auf den Einband, denn der könnte in die Irre führen. Lies die ersten Seiten und erstatte mir dann Bericht.«
»Und was ist, wenn ich Elant erzähle, was Ihr plant?«
Schan lachte. »Meine Liebe, du weißt nicht, was ich plane. Außerdem scheinst du bei Hofe allmählich voranzukommen. Sicherlich begreifst du da, dass du nicht einmal darüber nachdenken willst,
mich
zu betrügen.«
Mit diesen Worten wandte sich Schan ab und hatte sofort eine Ansammlung von Müßiggängern um sich, die in der Nähe gestanden hatten. Schans Besänftigungen wurden schwächer, und Vin fühlte, wie Zorn und Enttäuschung in ihr aufstiegen. Es hatte eine Zeit gegeben, in der sie einfach davongeeilt wäre, da ihr Selbstwertgefühl schon so sehr angeschlagen war, dass Schans Beleidigungen es nicht noch tiefer in den Dreck hätten ziehen können. Doch heute Abend wünschte sie sich, zurückschlagen zu können.
Beruhige dich. Es ist gut so. Du bist eine Spielfigur in den Plänen der Großen Häuser geworden - die meisten Angehörigen des niederen Adels träumen vermutlich von einer solchen Gelegenheit.
Sie seufzte
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