Kinder Des Nebels
treffen«, meinte er und übergab die Münzen dem älteren Obligator.
Es schien ein dummer Grund zu sein, einen Obligator zu rufen - oder zumindest war Vin dieser Meinung. Der Obligator lachte jedoch nicht und betonte auch nicht die Leichfertigkeit von Milens Wunsch. Er lächelte nur und umklammerte die Münzen genauso fest wie jeder Dieb. »Ich bezeuge dies, Graf Milen«, sagte er.
»Zufrieden?«, fragte Milen die anderen beiden.
Sie nickten.
Der Obligator wandte sich ab, schenkte Vin keinen zweiten Blick und schlenderte davon. Verstohlen atmete sie aus und sah der watschelnden Gestalt nach.
Bestimmt wissen sie alles, was bei Hofe vor sich geht,
erkannte sie.
Wenn die Adligen sie zur Bezeugung so unwichtiger Dinge herbeirufen
... Je mehr sie über das Ministerium wusste, desto deutlicher wurde ihr, wie klug der Oberste Herrscher es organisiert hatte. Es bezeugte Kaufverträge; Docksohn und Renoux hatten fast täglich mit den Obligatoren zu tun. Nur sie konnten Trauungen vornehmen, Scheidungen durchführen, Landkäufe bestätigen oder die Vererbung eines Titels beglaubigen. Wenn ein Obligator einen Umstand nicht bezeugt hatte, dann gab es ihn nicht, und wenn ein Dokument nicht von ihm gesiegelt war, dann war es so, als sei es nicht geschrieben worden.
Vin schüttelte den Kopf, als sich das Gespräch anderen Themen zuwandte. Es war eine lange Nacht gewesen, und ihr Kopf war voller Informationen, die sie auf dem Rückweg nach Fellise aufschreiben musste.
»Entschuldigt mich, Graf Milen«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Arm. Als sie ihn berührte, erzitterte sie leicht. »Ich glaube, es ist Zeit für mich, den Heimweg anzutreten.«
»Ich bringe Euch zu Eurem Wagen«, bot er an.
»Das ist nicht nötig«, erwiderte sie süßlich. »Ich möchte mich vorher noch ein wenig frischmachen, und außerdem muss ich erst auf meinen Terriser warten. Ich setze mich ein wenig an unseren Tisch.«
»In Ordnung«, sagte er und nickte respektvoll.
»Geht, wenn Ihr müsst, Valette«, sagte Kliss. »Aber dann werdet Ihr nicht erfahren, was ich Neues über das Ministerium weiß ...«
Vin hielt inne. »Was denn?«
In Kliss' Augen funkelte es, und sie warf dem sich entfernenden Obligator einen raschen Blick nach. »Die Inquisitoren summen wie die Insekten umher. In den letzten Monaten haben sie doppelt so viele Skaa-Diebesbanden ausgehoben wie üblich. Sie machen nicht einmal Gefangene - sie bringen sie einfach alle an Ort und Stelle um.«
»Woher weißt du das?«, fragte Milen misstrauisch. Er wirkte so geradlinig und edel. Doch man konnte nicht wissen, wie er in Wirklichkeit war.
»Ich habe meine Quellen«, meinte Kliss lächelnd »Die Inquisitoren haben erst heute Nachmittag eine weitere Bande ausgeräuchert. Ihr Hauptquartier lag hier ganz in der Nähe.«
Vin spürte, wie Kälte ihr den Rücken hochstieg. Sie waren nicht sehr weit von Keulers Laden entfernt ...
Nein, das kann nicht sein. Docksohn und die anderen sind zu klug. Selbst wenn Kelsier nicht in der Stadt ist, sind sie in Sicherheit.
»Verdammte Diebe«, spuckte Tyden aus. »Diese verfluchten Skaa wissen nicht, wo ihr Platz ist. Sind nicht die Nahrung und Kleidung, die wir ihnen geben, schon ein Diebstahl aus unseren Taschen?«
»Es ist doch erstaunlich, dass diese Kreaturen als Diebe überleben können«, meinte Carli, Tydens junge Frau, mit ihrer schnurrenden Stimme. »Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie man so dumm sein kann, sich von den Skaa ausrauben zu lassen.«
Tyden errötete, und Vin beobachtete ihn mit Neugier. Carli redete selten, es sei denn, sie konnte ihrem Gemahl einen Seitenhieb versetzen.
Er muss schon einmal ausgeraubt worden sein. Oder man hat ihn übers Ohr gehauen.
Vin merkte sich diese Information für später und drehte sich um, weil sie nun endlich gehen wollte. Diese Bewegung brachte sie von Angesicht zu Angesicht mit Schan Elariel, die soeben zu der Gruppe gestoßen war.
Elants frühere Verlobte sah so makellos aus wie immer. Ihr langes, kastanienbraunes Haar besaß einen leuchtenden Schimmer, und ihre prächtige Gestalt erinnerte Vin daran, wie dürr sie selbst war. Schan war so überheblich, dass sie sogar eine selbstbewusste Person unsicher machen konnte. Vin begriff allmählich, dass diese Dame genauso war, wie sich die Aristokratie die vollkommene Frau vorstellte.
Die Männer in Vins Gruppe nickten respektvoll, und die Frauen machten einen Knicks, denn sie fühlten sich geehrt, weil sich eine so wichtige Person
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