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Kinder Des Nebels

Kinder Des Nebels

Titel: Kinder Des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brandon Sanderson
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Nebelmantel, das langärmelige schwarze Hemd, die kohlenfarbene Hose. In der Nacht war diese Kleidung eine gute Tarnung. Doch in dem hell erleuchteten Zimmer verlieh sie ihm ein bedrohliches Aussehen.
    Er richtete sich auf, und im Raum stieg die Anspannung.
    »Sagt Renoux, er soll sich zurückziehen«, meinte Kelsier mit leiser, aber eisenharter Stimme. »Er soll wie verabredet mitteilen, dass er wegen des Krieges der Häuser auf seine Familienländereien geht. Ich will, dass er schon morgen fort ist. Schickt ihm einen Schläger und ein Zinnauge als Schutz, und sagt ihm, er soll seine Kanalboote für einen Tag aus der Stadt herausholen und dann zu uns zurückkommen.«
    Docksohn sah Vin und die anderen an. »In Ordnung ...«
    »Marsch wusste alles, Dox«, sagte Kelsier. »Sie haben ihn zum Reden gebracht, bevor sie ihn getötet haben. Das ist die Vorgehensweise der Inquisitoren.«
    Seine Worte hingen im Raum. Vin verspürte eine Eiseskälte. Ihr Schlupfwinkel war entdeckt.
    »Dann also zum Notversteck?«, fragte Docksohn. »Nur du und ich kennen seine Lage.«
    Kelsier ging hinüber zur Tür. Er stieß sie auf, ließ den Nebel herein und sah die Mannschaft mit Augen an, die so hart wie die Eisenstachel der Inquisitoren waren.
    »Sie haben mich an einer Stelle getroffen, wo es mir am meisten wehtut. Und ich werde es ihnen mit gleicher Münze heimzahlen.«
    *
    Walin tauchte immer tiefer in die Dunkelheit ein, bahnte sich einen Weg durch die engen Höhlen und zwang seinen Körper durch Spalten, die beinahe zu klein für ihn waren. Tastend setzte er den Abstieg fort und beachtete nicht die vielen Kratzer und Schnitte in seiner Haut.
    Muss weitergehen, muss weitergehen ...
Das wenige, das ihm noch an geistiger Gesundheit verblieben war, sagte ihm, dass dies sein letzter Tag war. Sein letzter Erfolg lag sechs Tage zurück. Wenn es ihm zum siebten Mal misslang, würde er sterben.
    Muss weitergehen.
    Er konnte nichts sehen; er befand sich so tief in der Erde, dass er nicht einmal mehr den Widerschein des Tageslichts zu erkennen vermochte. Doch er fand seinen Weg auch ohne Licht. Es gab nur zwei Richtungen: nach oben und nach unten. Seitliche Bewegungen waren unwichtig und wurden nicht in Betracht gezogen. Er konnte sich nicht verirren, solange er seinen Weg nach unten fortsetzte.
    Die ganze Zeit hindurch suchte er mit den Fingern nach der verräterischen Rauheit des knospenden Kristalls. Diesmal durfte er erst zurückkehren, wenn er Erfolg gehabt hatte, erst wenn ...
    Muss weitergehen.
    In den Höhlen gab es so etwas wie »Zeit« nicht. Für gewöhnlich kehrte er nur zum Schlafen nach oben zurück. Die Oberfläche hielt zwar die Zuchtmeister mit ihren Peitschen für ihn bereit, aber auch das Essen. Es war mager und reichte kaum aus, um ihn am Leben zu erhalten, aber es war besser, als hier unten zu verhungern.
    Muss weiter ...
    Er erstarrte. Er lag mit dem Oberkörper in einer engen Felsspalte und hatte gerade damit begonnen, sich durch sie hindurchzuwinden. Doch seine Finger - die beständig suchten, auch wenn er kaum bei Bewusstsein war - hatten die Wände abgetastet. Und etwas gefunden.
    Seine Hand bebte in Vorfreude, als er die kristallenen Knospen spürte. Ja, ja, das waren sie. Sie wuchsen in einem weiten, kreisförmigen Muster an der Wand; an den Rändern waren sie klein, wurden in Richtung der Mitte aber immer größer. Im Zentrum des Kreismusters wölbten sich die Kristalle nach innen und folgten einer taschenartigen Höhlung in der Wand. Hier wuchsen die Kristalle lang, und ein jeder besaß zerklüftete, raue Kanten. Wie Zähne, die den Schlund einer steinernen Bestie einrahmten.
    Walin holte tief Luft, betete zum Obersten Herrscher und schob die Hand in die faustgroße, runde Öffnung. Die Kristalle ritzten ihm den Arm auf und gruben langgezogene Wunden in sein Fleisch. Er beachtete den Schmerz nicht, zwang den Arm weiter hinein, bis zum Ellbogen, und suchte mit den Fingern nach ...
    Da!
Seine Finger hatten einen kleinen Felsbrocken in der Mitte der Höhlung gefunden - einen Felsbrocken, der durch die rätselhaften Tropfen der Kristalle entstanden war. Eine Hathsin-Geode.
    Eifrig packte er sie, zog an ihr und riss sich den Arm noch mehr auf, als er die Geode aus dem kristallgesäumten Loch zerrte. Er hielt die kleine Felskugel wie ein Kind im Schoß und atmete schwer vor Freude.
    Weitere sieben Tage. Er würde weitere sieben Tage leben.
    Bevor Hunger und Erschöpfung ihn noch mehr schwächen konnten, machte sich

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