Kinder Des Nebels
irgendeinem Grund scheinst du es diesmal ernst zu meinen. Ich werde zurückkommen und mir anhören, welch irrsinnigen Plan du dir zusammengesponnen hast. Und dann ... werden wir sehen.«
Kelsier lächelte. Trotz allem war Marsch ein guter Mensch - ein besserer als alle anderen, die Kelsier kannte. Als sich Marsch zur Tür umwandte, erhaschte Kelsier dort den Schatten einer Bewegung. Sofort verbrannte er Eisen, und die durchscheinenden blauen Linien schossen aus seinem Körper und verbanden ihn mit den Metallquellen in der Nähe. Marsch hatte natürlich keine bei sich, nicht einmal in Form von Münzen. Eine Reise durch die Skaa-Quartiere der Stadt war sehr gefährlich für jemanden, der auch nur entfernt wohlhabend wirkte.
Doch jemand anderes hatte noch nicht gelernt, kein Metall am Körper zu tragen. Die blauen Linien waren dünn und schwach - sie durchdrangen kaum das Holz - aber sie waren immerhin so stark, dass Kelsier die Gürtelschnalle einer Person draußen im Korridor erkannte, die sich nun auf leisen Sohlen rasch entfernte.
Kelsier lächelte in sich hinein. Das Mädchen besaß bemerkenswerte Fähigkeiten. Doch die Zeit auf der Straße hatte offenbar auch bemerkenswerte Wunden bei ihr hinterlassen. Hoffentlich gelang es ihm, ihre Fähigkeiten zu stärken und ihre Wunden zu heilen.
»Ich komme morgen zurück«, sagte Marsch, als er die Tür erreicht hatte.
»Sei nicht zu früh«, meinte Kelsier und blinzelte ihm zu. »Heute Nacht habe ich noch einiges zu tun.«
*
Vin wartete still in ihrem abgedunkelten Raum und hörte zu, wie die Schritte über die Treppe ins Erdgeschoss hinuntertrampelten. Sie kauerte neben der Tür und versuchte herauszufinden, ob beide Personen angehalten hatten oder nicht. Unten war nun alles still, und schließlich stieß sie einen Seufzer der Erleichterung aus.
Ganz nah bei ihrem Kopf wurde plötzlich gegen die Tür gepocht. Sie zuckte vor Überraschung so heftig zusammen, dass sie beinahe das Gleichgewicht verloren hätte.
Er ist gut!,
dachte sie.
Rasch brachte sie ihre Haare in Unordnung und rieb sich die Augen, damit es so aussah, als hätte sie bereits geschlafen. Sie zog sich das Hemd aus der Hose und wartete, bis das Klopfen noch einmal ertönte, bevor sie die Tür aufzog.
Kelsier lehnte gegen den Rahmen; die einzelne Lampe im Korridor hinter ihm hob seine Umrisse hervor. Der große Mann hob eine Braue, als er ihren derangierten Zustand bemerkte.
»Ja?«, fragte Vin und versuchte, verschlafen zu klingen.
»Was hältst du von Marsch?«
»Ich weiß nicht«, antwortete Vin. »Ich habe nicht viel von ihm gesehen, bevor er uns hinausgeworfen hat.«
Kelsier grinste. »Du willst nicht zugeben, dass ich dich beim Belauschen erwischt habe, oder?«
Beinahe hätte Vin sein Lächeln erwidert, doch Reens Ausbildung kam ihr zu Hilfe.
Der Mann, der dein Vertrauen erringen will, ist der Mann, den du am meisten zu fürchten hast.
Die Stimme ihres Bruders schien unmittelbar in ihrem Kopf zu flüstern. Sie war stärker geworden, seit Vin Kelsier begegnet war - als ob ihre Instinkte dadurch geschärft worden seien.
Kelsier betrachtete sie kurz und trat dann vom Türrahmen zurück. »Steck dir das Hemd in die Hose und komm mit.«
Vin runzelte die Stirn. »Wohin?«
»Wir beginnen mit deiner Ausbildung.«
»Jetzt?«, fragte Vin und warf einen Blick auf die dunklen Läden in ihrem Zimmer.
»Natürlich«, erwiderte Kelsier. »Es ist eine wunderbare Nacht für einen kleinen Spaziergang.«
Vin richtete ihre Kleidung und trat mit ihm hinaus in den Korridor. Wenn er wirklich vorhatte, nun mit ihrer Ausbildung anzufangen, sollte sie sich nicht darüber beschweren, egal, wie spät es war. Sie gingen die Treppe hinunter zum Erdgeschoss. Im Werkraum war alles dunkel; unfertige Möbel warteten in den Schatten. Die Küche hingegen war hell erleuchtet.
»Einen Augenblick«, sagte Kelsier und ging auf die Küche zu.
Vin blieb in den Schatten des Werkraums stehen, und Kelsier betrat die Küche ohne sie. Sie konnte kaum in den Raum hineinsehen. Docksohn, Weher und Hamm saßen mit Keuler und dessen Lehrlingen um einen breiten Tisch. Es gab Wein und Bier, wenn auch in kleinen Mengen, und die Männer nahmen ein einfaches Abendessen aus gedämpften Gerstenkuchen und püriertem Gemüse zu sich.
Lachen tröpfelte in den Werkraum. Es war kein raues Gelächter, so wie sie es oft an Camons Tisch gehört hatte. Die Geräusche hier waren sanfter und deuteten tatsächlich so etwas wie ehrliche Freude und
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