Kinder Des Nebels
unbenutzten Metalle, die du am Ende der Nacht noch in dir trägst, zu verbrennen. Einige der Metalle können giftig sein, wenn sie verdaut werden. Es ist also das Beste, wenn du nicht mit ihnen im Magen schläfst.«
»In Ordnung«, meinte Vin.
»Außerdem«, fuhr Kelsier fort, »darfst du niemals versuchen, ein Metall zu verbrennen, das nicht zu den zehn gehört. Ich habe dich schon vor den unreinen Metallen und Legierungen gewarnt, die dich krank machen können. Wenn du ein Metall verbrennst, das keine allomantischen Kräfte hat, könnte es tödlich für dich sein.«
Vin nickte ernst.
Gut zu wissen,
dachte sie.
»Ah«, sagte Kelsier und schaute wieder aus dem Fenster. »Wir sind da. Hier ist das kürzlich erworbene Haus Renoux. Du solltest deinen Mantel ablegen. Die Leute hier sind uns zwar treu ergeben, aber es zahlt sich immer aus, vorsichtig zu sein.«
Dem stimmte Vin völlig zu. Sie zog den Umhang aus und ließ es zu, dass Kelsier ihn in seinem Gepäck verstaute. Dann spähte sie aus dem Kutschenfenster und durch den Nebel auf das Gutshaus. Das Grundstück war von einer niedrigen Mauer umgeben, in der ein Eisentor steckte. Zwei Wachen öffneten es, als Sazed sich zu erkennen gab.
Die Straße hinter der Mauer war von Birken gesäumt, und auf einer kleinen Anhöhe vor sich sah Vin ein großes Herrenhaus, aus dessen Fenster sich geisterhaftes Licht ergoss.
Sazed lenkte die Kutsche vor das Haus, übergab dann die Zügel einem Diener und kletterte vom Bock herunter. »Willkommen im Haus Renoux, Dame Vin«, sagte er, öffnete die Tür und streckte die Hand vor, um ihr beim Aussteigen zu helfen.
Vin beäugte seine Hand, ergriff sie aber nicht, sondern kletterte ohne Hilfe hinaus. Es schien den Terriser nicht zu beleidigen, dass sie sich von ihm nicht helfen ließ.
Die Treppe hinauf zum Herrenhaus war durch eine Reihe von Laternenpfählen erhellt. Als Kelsier aus der Kutsche sprang, sah Vin, wie sich eine Gruppe von Männern am oberen Ende der weißen Marmortreppe versammelte. Mit federnden Schritten lief Kelsier die Treppe hoch. Vin folgte ihm und bemerkte dabei, wie sauber die Stufen waren. Offenbar wurden sie regelmäßig geschrubbt, damit sie keine Ascheflecken bekamen. Ob die Skaa, die sich um das Haus kümmerten, wohl wussten, dass ihr Meister ein Hochstapler war? Wie sollte Kelsiers »mildtätiger« Plan zum Sturz des Letzten Reiches den einfachen Leuten helfen, die diese Treppe säubern mussten?
Der dünne und ältliche »Graf Renoux« trug einen teuren Anzug und eine vornehm wirkende Brille. Ein spärlicher grauer Bart zierte sein Gesicht, und trotz seines Alters stützte er sich nicht auf einen Stock. Er nickte Kelsier respektvoll zu, betrug sich aber sehr würdevoll. Plötzlich wurde Vin eines klar:
Dieser Mann weiß genau, was er tut.
Camon war sehr geschickt darin gewesen, Adlige zu spielen, doch seine Aufgeblasenheit war Vin immer etwas kindisch erschienen. Es gab zwar Adlige wie solche, die Camon verkörperte, aber die beeindruckenderen waren die vom Schlage des Grafen Renoux: ruhig und selbstsicher. Es waren Männer, deren Adel eher in ihrem Betragen als in ihrer Fähigkeit lag, abschätzig über die Menschen in ihrer Umgebung zu sprechen. Vin musste sich zusammenreißen, damit sie nicht unter dem Blick erbebte, den der Schauspieler ihr zuwarf. Er wirkte zu sehr wie ein echter Adliger, und sie war es gewohnt, die Aufmerksamkeit solcher Personen zu vermeiden.
»Das Haus sieht schon viel besser aus«, sagte Kelsier, während er Renoux die Hand schüttelte.
»Ja, ich bin selbst von den Fortschritten beeindruckt«, sagte Renoux. »Meine Reinigungsmannschaffen sind sehr tüchtig. Wenn man ihnen noch etwas mehr Zeit gibt, wird das Herrenhaus so großartig sein, dass ich nicht zögern würde, den Obersten Herrscher persönlich hier zu beherbergen.«
Kelsier kicherte. »Das wäre allerdings eine sehr seltsame Festlichkeit.« Er trat zurück und deutete auf Vin. »Das ist die junge Dame, von der ich gesprochen habe.«
Renoux betrachtete sie, und Vin wandte den Blick ab. Sie mochte es nicht, wenn die Leute sie so ansahen; sie fragte sich dann immer, ob sie versuchen würden, sie für ihre Zwecke zu benutzen.
»Darüber werden wir noch reden müssen, Kelsier«, sagte Renoux und nickte in Richtung des Hauseingangs. »Es ist zwar schon spät, aber ...«
Kelsier betrat das Haus. »Spät? Es ist doch kaum Mitternacht. Sorge dafür, dass deine Diener etwas zu essen auftischen. Herrin Vin und ich haben
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