Kinder des Sturms
Musiker von auswärts hierher in den Pub?«
»Die ganze Zeit. Das Gallagher’s hat als Musikkneipe einen wirklich guten Ruf.« Sie bedachte Trevor, der ihren Eintopf lässig in seine und Nigels Schalen löffelte, mit einem warmen Blick. »Für diese Tat würde ich glatt das Baby nach Ihnen benennen, aber dann würde Aidan sicher Verdacht schöpfen.«
»Es ist kein allzu großes Opfer. Shawn ist kochtechnisch wirklich ein Genie.«
»Ich dachte, Trevors Lobeshymnen auf die Kochkünste unseres neuesten Künstlers wären übertrieben.« Zufrieden schaufelte Nigel das Essen in sich hinein. »Aber ich hätte es besser wissen müssen. Er hat einfach immer Recht.«
Es war das Lachen, das Nigel zuerst erreichte. Warm, feminin
und sinnlich. Er drehte seinen Kopf und beobachtete, wie Darcy eine Hand auf die Schulter des alten Mannes legte, mit dem Fuß den Takt klopfte und die Melodie mit ihrer Stimme aufnahm.
Als ich die berühmten Berge Kerrys überquerte,
traf ich dort Hauptmann Farrell, diesen Schuft.
Er zählte grad voll Wonne all die Piepen, die er hatte,
ja, warf die Münzen sogar fröhlich in die Luft.
Nigel legte den Löffel auf die Seite, blendete die Hintergrundgeräusche aus und konzentrierte sich vollkommen auf das fröhlichfreche Lied.
Ich zog erst die Pistole und dann noch mein langes Schwert,
befahl ihm, alles mir zu übergeben.
Tät er’s nicht, wär’ sein Verräterherz nicht mehr viel wert,
doch andernfalls ließ ich ihn vielleicht leben.
Es war ein fröhliches, unbeschwertes Lied mit einem etwas holperigen Text. Nichts, was, abgesehen vom Tempo, große Anforderungen an eine Stimme gestellt hätte. Doch schon nach den ersten Zeilen blickte er Trevor an, nickte und erklärte: »Du hast tatsächlich einfach immer Recht.«
Es folgten schottische Reels, Gigues, Walzer und Balladen, mal mit Gesang, mal ohne. Als Shawn schließlich aus der Küche kam, sah Nigel die drei Gallaghers zum ersten Mal zusammen.
»Wow«, murmelte er, und Jude blickte ihn strahlend an.
»Sind sie nicht wirklich attraktiv? Und hören Sie erst mal, wie es klingt, wenn sie gemeinsam Musik machen«, fügte sie hinzu, als sie das Lied von den kühnen Fenianern anstimmten.
Trotz ihrer Begeisterung blieb ihr nicht verborgen, wie Nigel und Trevor einander ansahen. Dies, dachte sie, waren zwei
Männer, die einander viel zu sagen hatten, es jedoch nicht täten, solange sie dabeisaß. Nun, sie war den beiden etwas schuldig, und so tätschelte sie, als das Lied vorbei war, Trevor freundschaftlich die Hand.
»Ich ziehe mich kurz in die Küche zurück und trinke dort in Ruhe eine Tasse Tee.« Anschließend würde sie durch die Hintertür hinausschleichen und heimgehen. »Danke für die Gesellschaft und die großmütige Rettung. War wirklich nett, Sie kennen zu lernen, Nigel. Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt bei uns.«
Sie wollte sich erheben, sank bleischwer zurück, bedachte Trevor, als er ihr unauffällig aufhalf, mit einem neuerlichen Lächeln und gab ihm spontan einen Kuss. »Gute Nacht.«
Da sich die Fiedler an Schwung und Tempo gerade gegenseitig überboten, brauchte Nigel nur zu warten, bis Jude zwei Schritte gemacht hatte, um reden zu können, ohne dass sie ihn verstand. »Ein Vertrag mit den dreien wäre reines Gold wert.«
»Das ist durchaus möglich, aber weder Aidan noch Shawn werden jemals den Pub aufgeben.« Trevor nippte erneut an seinem Bier. »Der Auftritt im Theater und die Aufnahme gehen für sie in Ordnung. Das tun sie für die Familie und für das Gallagher’s, aber langfristig ist mehr ganz sicher nicht drin.«
»Und wie steht es mit Darcy?«
»Ich bin gerade dabei, sie zu bearbeiten. Auch sie steht treu zu ihren Brüdern und zum Familienunternehmen. Aber es gefällt ihr, gut zu leben, und so brauche ich sie nur noch davon zu überzeugen, dass sie beides miteinander verbinden kann.« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte und beobachtete, wie einer der Fiedler Darcy statt seines leeren Glases die Violine gab und sich, während sie das Instrument auf die Schulter legte, einfach selbst ein neues Getränk bei Aidan holte.
»Mit ihrem Gesicht, ihrer Stimme und – Himmel – ihrem Geigenspiel kann sie alles haben, was sie will.«
»Ich weiß.« Angesichts der Erkenntnis, dass ihm das nicht unbedingt gefiel, stellte Trevor sein Glas unsanft auf den Tisch. »Und, glaube mir, auch sie ist sich dessen durchaus bewusst.«
»Dann haben wir es also nicht mit irgendeiner naiven irischen
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