Kinder des Sturms
nein. Wenn ich mich hinsetze und eine Melodie im Kopf habe, ist es genau wie vorher.« Er legte einen Finger unter ihr Kinn. »Was ist los, mein Schätzchen? Sag mir, was dich bedrückt.«
»Trevor will mich unter Vertrag nehmen. Als Sängerin. Er meint, dass sich meine Stimme gut verkaufen lässt.«
Es gab Dutzende von Scherzen, die er aus Gewohnheit und einer seltsamen Form der Zuneigung heraus hätte anbringen können, doch da er spürte, dass sie es wirklich brauchte, sagte er lediglich die schlichte Wahrheit: »Du wirst sicher fantastisch sein und uns alle furchtbar stolz machen.«
Der Laut, der ihr entfuhr, endete in einem nicht ganz festen Lachen. »Aber es wäre etwas anderes als bei einer Session oder einem ceili . Ich wäre eine richtige Künstlerin.«
»Du wirst viel reisen und reich werden, genauso, wie du es dir immer schon gewünscht hast. Und es wird dir durch das ermöglicht, was du in dir hast und was der einzige Weg ist, um damit auch glücklich zu werden.«
Sie nahm das Ginger Ale vom Tisch. »Wie entsetzlich schlau du doch mit einem Mal geworden bist.«
»Ich war schon immer schlau. Aber das kannst du eben nur dann zugeben, wenn wir beide mal ausnahmsweise einer Meinung sind.«
»Hm.« Sie nippte an ihrem Getränk und dachte über die möglichen Probleme und Fallstricke nach, die sie überwinden
müsste, um tatsächlich als Interpretin erfolgreich zu sein. »Du und Brenna, ihr arbeitet gewissermaßen zusammen. Ich meine, du schreibst die Musik, und sie bringt sie an den Mann. Sie war diejenige, die dafür gesorgt hat, dass Trevor sie zu hören bekam. Sie fungiert sozusagen als deine Agentin, Partnerin oder wie auch immer du es nennen willst.«
Knurrend griff Shawn erneut nach seinem Messer und hackte weiter das Gemüse klein. »Ich kann dir sagen, manchmal kehrt sie dabei ganz schön die Chefin heraus.«
Darcy biss sich auf die Lippe. »Habt ihr deshalb Probleme?«
»Keine, die wir hätten, wenn sie sich nicht ungebeten in meine Angelegenheiten mischen würde.« Doch als er den Kopf hob und Darcys Gesicht sah, lachte er unbekümmert auf. »Himmel, weshalb machst du dir darüber Gedanken? Ich ziehe dich doch nur ein bisschen auf. Es stimmt, dass sie mich hin und wieder ein wenig bedrängt und dass ich, wenn sie übertreibt, einfach auf stur schalte. Aber ich weiß, dass sie an mich glaubt. Und das ist mir beinahe ebenso wichtig, dass sie mich liebt.«
Dieser Satz versetzte Darcys Herzen einen unwillkommenen Stich. »Vielleicht ist es wirklich ebenso wichtig und ebenso befriedigend, zu wissen, dass ein Mensch an einen glaubt. Zumindest für den Anfang, für den Anfang«, murmelte sie leise. »Aber wenn man gar nicht erst anfängt, kommt man sicher auch niemals ans Ziel.«
Entschlossen, diesen Satz zu glauben, nahm sie ihre Schürze vom Haken, ging hinüber in den Pub und ließ den verwirrten Shawn allein am Küchentisch zurück.
Es war nie schwer, eine Session im Gallagher’s zu arrangieren. Es reichte, wenn man es hier und da erwähnte. Schließlich gab es kaum eine bessere Möglichkeit, einen regnerischen Frühlingsabend zu verbringen, als zusammen mit Fremden und mit Freunden Musik zu machen und zu trinken.
Um acht war der Pub bereits zum Bersten voll, und das Guinness floss in Strömen. Brenna stand als zusätzliche Kraft hinter der Theke, und Darcy hatte das Gefühl, als hätte sie einen ganzen Ozean an Eintopf durch den Raum geschleppt.
Der Einzige, der fehlte, war Trevor Magee.
Sollte er doch zur Hölle fahren, sagte sie sich und brachte mit ihrem breiten Lächeln und dem gleichzeitigen kalten Blitzen ihrer Augen die Touristen, die sie gerade bediente, dazu, dass sie sich unbehaglich umdrehten.
Woraus war er gemacht, wenn selbst eine Einladung zum Abendessen, zu Musik und anschließendem Sex ihn offenbar nicht lockte? Aus Stein? Aus Eis? Aus Stahl? Als sie krachend die leeren Gläser auf den Tresen stellte, fuhr Aidans Kopf herum.
»Pass bitte etwas auf, Darcy. Bei dem Gedränge heute Abend haben wir, auch ohne dass du sie zertrümmerst, kaum genug Gläser.«
»Zum Teufel mit den Gläsern«, murmelte sie leise. »Zwei Guinness, ein Smitty’s, ein kleines Harp und zwei Ginger Ale mit Brandy.«
»Bring, während ich das Guinness zapfe, doch bitte ein Mineralwasser zu Jude, und versuche sie dazu zu überreden, dass sie etwas von dem Eintopf isst. Sie hat in den letzten Tagen viel zu wenig Appetit.«
Schon aus Prinzip hätte sie ihren Bruder gerne angefahren, doch es
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