Kinder des Sturms
müsste mich also entscheiden.«
»Und, was von diesen Dingen willst du?«
»Ich will sie alle.« Sie lachte, doch es war ein unglückliches Lachen, und es brach Aidan regelrecht das Herz. »Ich bin egoistisch und habgierig und will ganz einfach alles. Ich will alles, was ich halten kann, und dann will ich noch mal kehrtmachen und mehr holen. Warum kann ich nicht einfach ein unkompliziertes, normales, ruhiges Leben wollen, Aidan? Warum kann ich nicht einfach mit bescheidenen Träumen zufrieden sein?«
»Du gehst viel zu hart mit dir ins Gericht, mavourneen . Härter, als ein anderer es jemals könnte. Manche Menschen wollen tatsächlich ein unkompliziertes, normales, ruhiges Leben. Aber deshalb sind diejenigen, die ein kompliziertes, außergewöhnliches, aufregendes Leben wollen, noch lange nicht habgierig oder egoistisch. Ein jeder hat das Recht, sich zu erträumen, was er sich erträumen will.«
Sie starrte ihn mit großen Augen an. »Was für ein Gedanke«, brachte sie schließlich mühsam hervor. »So habe ich es bisher nie gesehen.«
»Denk einfach eine Zeit lang darüber nach.« Er strich mit einer Fingerspitze über den Saphir und schloss dann ihre Hand um den pulsierenden Stein. »Und überstürz die Dinge nicht.«
»Zu dem Schluss bin ich ebenfalls bereits gekommen.« Sie schob das Juwel zurück in ihre Tasche, wo es sie nicht in Versuchung führen konnte. »Carrick mag in Eile sein, aber ich lasse mir trotzdem lieber noch etwas Zeit.«
Sie küsste Aidan auf die Wange. »Danke, dass du für mich da warst. Du warst wirklich genau zur rechten Zeit genau am rechten Ort.«
Sie ließ sich wirklich Zeit. Das Gespräch mit Aidan hatte sie so weit beruhigt, dass sie das Warten sogar regelrecht genoss.
Die Tage vergingen, und amüsiert bemerkte sie, dass weder sie noch Trevor je auf die mögliche geschäftliche Seite ihrer Beziehung zu sprechen kamen.
Er war, so dachte sie, ein ebenso gewiefter Verhandlungspartner wie sie selbst. Doch einer von ihnen beiden müsste das Schweigen brechen. Aber sie wäre es nicht.
Die fortschreitende Arbeit am Theater war für sie interessanter, als sie je gedacht hätte. Es war eine Veränderung ihrer vertrauten Umgebung. Eine ungeheure Veränderung, die ihren Ursprung in einem Traum gehabt hatte, und noch viel mehr bedeutete das Gebäude aus Backsteinen und Mörtel, das sich gegenüber von ihrem Schlafzimmer erhob.
Sie wollte die Veränderung um seinetwillen. Das, so nahm sie an, war die Natur der Liebe. Dass man von ganzem Herzen wünschte, dass der Traum des anderen in Erfüllung ging.
Nun, da der Großteil des Dachs gedeckt war, fehlte es ihr, Trevor durch ihr Fenster beobachten zu können. Den Großteil seiner Zeit verbrachte er im Inneren des Gebäudes. Und da der Lärm so schrecklich war wie immer, hielt sie das Fenster, auch wenn sie dadurch seine Stimme nicht mehr hören konnte, meistens fest geschlossen.
Mit Beginn des Sommers kamen zahlreiche Touristen an die Strände und auch in den Pub. Während Darcy pausenlos bediente, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, was das Theater für ihr Heimatdorf bedeuten würde.
Nicht nur die Einheimischen und die Leute aus der Umgebung unterhielten sich darüber, sondern auch die Fremden.
Mitten in der Hektik der mittäglichen Schicht hielt sie manchmal inne, blickte auf das Gedränge an den Tischen und der Theke, hörte das Gewirr der Stimmen, stellte sich vor, wie es im nächsten Sommer wäre. Und fragte sich, wo sie dann wohl sein würde.
Da sie und Trevor den Abstand zur Arbeit genossen, besuchte sie ihn für gewöhnlich nach der abendlichen Schicht in
seinem Cottage. Obgleich er ihr regelmäßig seinen Wagen anbot, ging sie, wenn das Wetter es erlaubte, stets zu Fuß. Sie mochte die Stille der nächtlichen Umgebung, die milde Brise, die ihr entgegenwehte, das Funkeln der Sterne und das Plätschern der Wellen, das sie wie eine sanfte Hintergrundmusik auf ihrem Weg begleitete.
Seltsam, aber sie hätte nicht sagen können, ob sie sich der Schönheit ihrer Heimat bereits bewusst gewesen war, ehe sie erkannt hatte, dass sie nicht für immer hier wäre.
Wenn der Mond schien und sie die Schatten der Klippen sehen konnte, gefiel es ihr am besten.
Stets machte sie oben auf dem Tower Hill eine kurze Pause. Wenn der Wind die Wolken vor sich herschob, schien der alte Turm zu schwanken, die alten und neuen Grabsteine jedoch standen immer völlig still.
Immer noch blühten leuchtend blaue Blumen auf dem Grab von John Magee.
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