Kinder des Sturms
Schicksal dir zu bieten hat?«
Lässig warf er die Kugel in Richtung von Trevor, der sie instinktiv mit beiden Händen fing. Es war, als hielte er etwas Kühles, Weiches zwischen seinen Fingern, ehe der Kristall wie eine Seifenblase platzte.
»Wirklich kein übler Trick«, brachte Trevor halb erstickt hervor und blickte erneut zum Brunnen. Doch er war wieder allein und hörte nur noch den Gesang des Windes im dichten, hohen Gras. »Wirklich kein übler Trick«, wiederholte er und starrte erschütterter, als ihm lieb war, auf seine leeren Hände.
4
Während der Nacht quälten ihn Träume. Früher hatte Trevor immer in verschwommenen Bildern geträumt, doch seit er in dem kleinen Cottage lebte, waren seine Träume von kristallener Klarheit, als hätte jemand die Linse einer Kamera schärfer eingestellt.
Der seltsame Mann vom Friedhof ritt auf einem weißen, geflügelten Pferd über ein weites blaues Meer, und Trevor selbst spürte den breiten Rücken und die straffen Muskeln des mystischen Hengstes unter sich. In der Ferne wurden der Himmel und das Wasser vom Horizont wie von einem mit einem Lineal gezogenen, dünnen Bleistiftstrich voneinander getrennt.
Das Wasser war blau wie ein Saphir, der Himmel grau wie Rauch.
Unter den kräftigen Vorderbeinen des vorwärts preschenden Pferdes stob das Wasser auf, und Trevor sah und fühlte die Tropfen in seinem Gesicht und schmeckte das Salz auf seinen Lippen.
Dann gerieten sie in den Strudel der unterirdischen Welt. Kalt, sie war so kalt, und das Dunkel wirkte wie von gespenstischem Kerzenlicht erhellt. Die Flammen flackerten wie Feenflügel in einer sanften Brise, wiegten sich im Takt der Flöte, auf der ein unsichtbares Wesen eine sanfte Weise blies.
Tiefer, immer tiefer flogen sie ebenso geschmeidig wie zuvor durch die Luft durch dieses nasse Element. Trevor befand sich wie in einem Rausch.
Dort auf dem weichen Meeresboden pulsierte ein dunkler, wilder blauer Hügel wie ein vor Ungeduld pochendes Herz,
und der Mann, der gesagt hatte, er wäre ein Prinz, schob einen seiner Arme bis zur Schulter in das Blau hinein. Und Trevor spürte die glitschige Textur des Hügels auf seinem eigenen Arm, spürte, wie die Vibration sich auf seinen Körper übertrug. Seine Hand spannte sich an, schloss sich, zuckte und riss dem Meer das Herz aus.
Für sie, dachte er und hielt die blaue Masse fest in seiner Faust. Dies ist das Zeichen der Dauerhaftigkeit.
Als er erwachte, war seine Faust immer noch geballt, doch das Einzige, was pochte, war sein eigenes Herz.
Erschüttert und verwirrt öffnete Trevor die Faust. Seine Hand war leer, natürlich war sie leer, doch er hatte das Gefühl, als stünde seine Handfläche ein wenig unter Strom.
Das Herz des Meeres.
Es war einfach absurd. Selbst ohne Meeresbiologie studiert zu haben, war er sich der Tatsache bewusst, dass es auf dem Grund der Irischen See keinen pulsierenden, schimmernden blauen Hügel, kein organisches Leben in dieser Form und Größenordnung gab. Das alles war nicht mehr als ein unterhaltsames Schauspiel, das sein Unterbewusstsein ihm geboten hatte, sagte er sich. Mit einer Symbolik, die er, wäre ihm danach zumute, endlos auseinander pflücken könnte.
Doch dazu hatte er ganz sicher keine Lust.
Er stand auf und fuhr sich auf dem Weg ins Bad geistesabwesend durch die Haare. Sie waren tatsächlich feucht.
Urplötzlich blieb er stehen, ließ seine Hände sinken und starrte sie mit großen Augen an. Vorsichtig hob er die Finger an seine Nase und schnupperte daran. Roch er tatsächlich Salzwasser?
Splitternackt sank er auf die Bettkante zurück. Er hatte sich nie für allzu fantasiebegabt gehalten. Tatsächlich war er davon ausgegangen, dass er fester auf dem Boden der Realtität stand als die meisten anderen, doch er konnte nicht leugnen, dass er in seinem Traum auf einem Flügelpferd durch das Meer geritten
und anschließend mit feuchten, nach Salzwasser riechenden Haaren wach geworden war.
Wie sollte ein rational denkender Mann so etwas erklären?
Erklärungen erforderten Informationen. Es war allerhöchste Zeit, dass er mit dem Sammeln von Informationen begann.
Es war noch zu früh, um mit New York zu telefonieren, doch er konnte faxen. Nachdem er sich angezogen hatte, setzte sich Trevor in das kleine, dem Schlafzimmer gegenüberliegende Büro und schrieb zuerst an seine Eltern.
Mom und Dad,
ich hoffe, es geht euch beiden gut. Das Projekt verläuft planmäßig und hält sich bisher auch innerhalb der gesetzten
Weitere Kostenlose Bücher