Kinder des Sturms
sein Hirn ein wenig langsam. »Sie überraschen mich, Darcy.«
Genau das hatte sie gewollt. »Und, bekomme ich nun was zu essen oder nicht?«
»Kommen Sie rein.« Einladend trat er einen Schritt zurück. »Wir werden sehen, was wir für Sie tun können.« Beim Eintreten strich sie so dicht an ihm vorbei, dass ihm der Duft kandierter Sünde in die Nase stieg.
Sie marschierte durch den Flur und warf einen Blick ins Wohnzimmer. Es war noch beinahe genauso, wie Maude es hinterlassen hatte, mit Regalen voller Bücher, hier und da mit hübschen Nippsachen und dem bequemen Sofa, dessen verblichenen Bezug man unter dem weichen alten Überwurf bereits seit Jahren nicht mehr sah.
»Sie sind offenbar ein ziemlich ordentlicher Mensch.« Sie drehte sich zu Trevor um. »Ich mag es, wenn Männer ordnungsliebend sind. Auch wenn Sie selbst es vielleicht nicht Ordnungsliebe nennen, sondern Effizienz.«
»Effizienz und Ordnung bedingen einander und waren deshalb schon immer ein Teil von meinem Leben.« Er legte eine Hand auf ihre Schulter und freute sich darüber, dass sie ihn, statt zusammenzufahren oder sich ihm zu entziehen, mit einem amüsierten Lächeln ansah. »Ich frage mich, weshalb Ihre Schulter so erstaunlich warm ist.«
»Jemandem die kalte Schulter zu zeigen ist nach einer Auseinandersetzung eine vorhersehbare Reaktion, und berechenbare Menschen sind einfach langweilig.«
»Ich wette, Sie sind niemals langweilig.«
»Vielleicht ab und zu einmal ein bisschen. Ich bin böse auf Sie, aber trotzdem möchte ich mein Frühstück.« Sie ging um ihn herum in Richtung Küche und blickte über ihre Schulter. »Machen Sie das Essen, oder gehen wir irgendwohin?«
»Ich mache es selbst.«
»Jetzt bin ich wirklich überrascht. Fasziniert. Ein Mann in Ihrer Position, der sich obendrein in der Küche auszukennen meint.«
»Mein Käse-Champignon-Omelette zum Beispiel ist regelrecht berühmt.«
»Lassen Sie es mich kosten, und dann werde ich Ihnen sagen, ob Sie übertrieben haben ... ich habe nämlich einen äußerst... erlesenen Geschmack.« Sie wandte sich von ihm ab, und ehe er ihr in die Küche folgte, entfuhr ihm ein beifälliger Seufzer.
Schließlich setzte sie sich an den kleinen, mitten im Raum stehenden Tisch und legte – äußerlich ganz die Frau, die es gewöhnt war, dass man sie bediente – lässig die Arme über die Rückenlehne des Stuhls. Obgleich er inzwischen ganz sicher völlig wach war, kochte Trevor zuallererst Kaffee.
»Während ich hier sitze und Ihnen bei der Hausarbeit zusehen«, setzte Darcy an, »könnten Sie mir ja vielleicht erzählen, weshalb Sie sich gestern so interessiert an meinem Geschwätz über Ihre Familie und deren Vorfahren gegeben haben, obwohl Sie alle diese Geschichten doch sicher bereits kannten.«
»Nein, ich kannte sie nicht.«
Das hatte sie, nachdem sie sich beruhigt hatte, bereits vermutet. Er erschien ihr nicht wie jemand, der seine Zeit damit vergeuden würde, Fragen zu stellen, auf die er die Antworten schon kannte. »Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn ich frage, wie das kommt?«
Normalerweise hätte er etwas dagegen gehabt. Doch er hatte das Gefühl, dass er ihr eine Erklärung für sein Verhalten schuldete, und so antwortete er: »Mein Großvater hat fast nie etwas von seinen hiesigen Verwandten, von Ardmore oder überhaupt von Irland erzählt.«
Während er darauf wartete, dass das Kaffeewasser kochte, holte er die Zutaten für das Omelette. »Er war ein schwieriger Mensch mit einer äußerst rauen Schale. Ich hatte den Eindruck,
dass ihn das, was er hier zurückließ, verbittert hatte. Und so wurde über diese Dinge eben nie gesprochen.«
»Ich verstehe.« Sie verstand nicht ganz, dachte Darcy, denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass man innerhalb einer Familie nicht über alle Dinge sprach. Und zwar voller Leidenschaft. »Ihre Großmutter kam ebenfalls aus Ardmore.«
»Ja, aber sie hat sich seinen Wünschen stets gefügt.« Sein Blick wurde kühl und schweifte in die Ferne. »Und zwar ausnahmslos.«
»Sicher war er ein starker Mann, und starke Männer können schwierig und Furcht einflößend sein.«
»Mein Vater ist ebenfalls ein starker Mann, aber ich würde ihn weder als schwierig noch als Furcht einflößend bezeichnen.«
»Dann sind Sie also teilweise deshalb hierher gekommen, um die Ursprünge Ihrer Familie zu ergründen?«
»Teilweise, ja.«
Sie hörte deutlich den abweisenden Ton, in dem er diese Antwort gab. Offenbar war dies ein wunder
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