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Kinder des Sturms

Kinder des Sturms

Titel: Kinder des Sturms Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roberts Nora
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verrenken musste, um ihm ins Gesicht sehen zu können.
    Es ist einfach so, dass du aussiehst wie sein Bruder John, Trevor, der so jung gestorben ist. Es macht es deinem Großvater schwer zu ... ach, es macht es ihm einfach schwer.
    »Ach, ja?«
    »Allerdings. Johnnie Magee, ich habe ihn gekannt, genau wie deinen Großvater. Ein gut aussehender junger Bursche, unser Johnnie, mit rauchig grauen Augen und einem freundlichen Lächeln. Schlank und geschmeidig wie eine Gerte, ganz genau wie du.«
    »Wie war er?«
    »Oh, sehr ruhig und tiefgründig. Voller Gedanken und Gefühle, vor allem für Maude Fitzgerald. Außer ihr wollte er nicht viel.«
    »Und was er statt ihrer dann bekam, war Krieg.«
    »Ja, so war es nun einmal. 1916, auf den Schlachtfeldern in Frankreich, fielen viele junge Männer, ebenso wie hier, während unseres eigenen kleinen Krieges um Irlands Unabhängigkeit. Und wie zu allen Zeiten an vielen anderen Orten, wenn man es genau nimmt. Männer ziehen in die Schlacht, und die Frauen warten und heulen sich die Augen aus dem Kopf.«
    Er legte eine knochige Hand auf den Kopf eines der an seiner Seite hockenden kleinen Kinder. »Die Iren wissen, dass das der Lauf der Dinge ist. Genau wie die Alten. Und ich bin beides, alt und Ire.«
    »Sie haben gesagt, Sie hätten meinen Großvater gekannt.«
    »Das stimmt.« Riley lehnte sich, seine Teetasse in der Hand, zurück und kreuzte seine dünnen Beine. »Dennis, ja, der war wesentlich kräftiger gebaut als sein Bruder und eher in der Lage, über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Irgendwie
war Dennis Magee stets unzufrieden, falls ich das so sagen darf. Ardmore war nicht der richtige Ort für jemanden wie ihn, und er hat den Sand von unserem Strand aus seinen Schuhen geschüttelt, sobald er dazu in der Lage war. Ich frage mich nur, ob er das, wonach er gesucht hat, irgendwann gefunden hat und ob er dann zufrieden war.«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Trevor ehrlich. »Ich würde nicht sagen, dass er ein besonders glücklicher Mann gewesen ist.«
    »Das tut mir Leid, vor allem, da es für Menschen, die in der Nähe unglücklicher Menschen leben, oft sehr schwer ist, selbst glücklich zu sein. Seine Braut war, soweit ich mich entsinne, ein eher ruhiges Mädchen. Mary Clooney, deren Familie eine Farm in der Nähe unseres Dorfes hatte und die, wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, eines von zehn Kindern war.«
    »Ich habe den Eindruck, dass Ihr Gedächtnis erstaunlich gut ist.«
    Riley lachte meckernd auf. »Oh, mein Hirn hat mich bisher noch nie im Stich gelassen. Nur der Körper braucht mittlerweile etwas länger, ehe er in Schwung kommt.« Der Junge wollte wissen, was an dem Ort, von dem er stammte, vor all der Zeit passiert war, dachte Riley. Und warum auch nicht? »Lass mich dir sagen, das Baby, der Junge, der später dein Vater werden sollte, war ein wirklich hübsches Kerlchen. Ich habe oft gesehen, wie er an der Hand von seiner Mama die Straßen entlanggestolpert ist.«
    »Und an der Hand von seinem Vater?«
    »Nun, vielleicht nicht ganz so oft, aber hin und wieder schon. Dennis hat sich abgerackert, um genug Geld für die Fahrt nach Amerika zusammenzubekommen. Ich hoffe, sie hatten dort ein gutes Leben.«
    »Das hatten sie. Mein Großvater wollte immer Häuser bauen, und genau das hat er auch getan.«

    »Dann hat er sein Ziel offenbar erreicht. Ich erinnere mich daran, dass dein Vater, Dennis junior, gerade, als er alt genug war, um den ersten Bart zu bekommen, einmal hierher zurückkam.« Riley machte eine Pause und schenkte sich Tee aus seiner Thermoskanne nach. »Er schien zu einem netten jungen Mann herangewachsen zu sein, und ein paar der Mädchen aus unserer Gemeinde haben sich im Handumdrehen in ihn verguckt.« Er zwinkerte vergnügt. »Genau wie jetzt in dich. Trotzdem hat er damals, abgesehen von der Erinnerung an ihn, nichts hier zurückgelassen. Du hingegen machst es anders.«
    Riley winkte in Richtung der Baustelle. »Du willst hier etwas bauen.«
    »So sieht es zumindest aus.«
    »Tja, Johnnie wollte nicht mehr als ein kleines Cottage und sein Mädchen, aber dann hat ihn der Krieg geholt. Seine Mutter starb keine fünf Jahre nach ihm an gebrochenem Herzen. Meinst du nicht auch, dass es schwer für einen Mann ist, wenn er immer im Schatten eines toten Bruders lebt?«
    Trevor hob den Kopf und blickte in die milchigen, doch erstaunlich wachen Augen seines Gegenübers. Der alte Mann war wirklich clever, sagte er sich, doch um über hundert

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