Kinder des Sturms
einzelnen Etagen des Gebäudes angefangen hatten, und blickten voller Ehrfurcht auf die mächtigen, wenn auch inzwischen geborstenen Holzbalken.
»Sicher war es ziemlich zugig, und bestimmt hat es gestunken wie in einem Schweinestall«, stellte Darcy nüchtern fest.
Nochmals wurde der Himmel etwas heller, doch die Regenbogen waren immer noch zu sehen. »Wo bleibt dein Sinn für Romantik?«
»Ha. Ich bezweifle, dass die Frauen, die damals hier kochen und sauber machen mussten, wenn sie nicht gerade mal wieder ein Baby bekamen, ihr Leben als allzu romantisch angesehen haben. Ich schätze, ihnen ging es einzig darum, zu überleben.«
»Und das haben sie geschafft. Die Ruine hier, das Volk und das Land – sie alle haben überlebt. Genau das ist der Zauber, der die Menschen anlockt, der Zauber, der dir verborgen bleibt, weil du mittendrin steckst.«
»Das ist kein Zauber, sondern bloße Geschichte.«
»Es ist beides zugleich. Und genau das ist es, was ich hier schaffen werde, weshalb ich hierher gekommen bin.«
»Ein ziemlich großes Vorhaben.«
»Warum sollte man sich mit weniger begnügen?«
»Das ist endlich mal ein Gefühl, das ich verstehen kann. Und da Sie das Gallagher’s in dieses Vorhaben mit einbezogen haben, werde ich mein Bestes tun, um Ihnen bei der Realisierung des Projekts behilflich zu sein.«
»Das ist etwas, worüber ich noch mit dir sprechen wollte. Aber vielleicht ein andermal.«
»Und warum nicht jetzt?«
»Jetzt sollten wir, denke ich, eher dafür sorgen, dass mein Glück auch weiterhin anhält.«
Er nahm ihre Hände. Statt sie jedoch wie am Vorabend an seine Brust zu ziehen, trat er auf sie zu. »Ich denke, wenn man
sich in einer alten Burg unter drei Regenbogen küsst, sollte das riesige Töpfe voller Glück bringen.«
»Sie bringen die verschiedenen Mythen durcheinander. Die Töpfe sind nicht voller Glück, sondern voller Gold, und sie liegen am Ende des Regenbogens, nicht darunter.«
»Trotzdem sollten wir es versuchen.« Ebenso leicht und freundschaftlich wie zuvor sie ihn, küsste er sie auf den Mund. Das amüsierte Blitzen ihrer Augen bereitete ihm ehrliches Vergnügen, und so gab er ihr einen zweiten, etwas innigeren Kuss.
»Außerdem habe ich gehört, drei sei eine Glückszahl«, murmelte er und bedeckte ihre Lippen erneut mit seinem Mund – absichtlich, um sie beide zu testen, plötzlich hart und fest und fordernd.
Trotzdem reagierte sie, als hätte sie genau damit gerechnet, als hätte sie bereits darauf gewartet, ihm ihre Lippen öffnen zu können. Nicht, weil sie sich ihm ergab, sondern weil sie ebenso fordernd war wie er. Gleichermaßen leidenschaftlich, gleichermaßen hungrig. Ihrer beider Finger ballten sich zu Fäusten, als wäre ihnen klar, dass sie andernfalls vollkommen haltlos taumeln würden.
Aufgrund ihres erregten Herzschlags dicht an seiner Brust begann sein Puls zu rasen.
Es war erregend und betäubend, dass der Kuss genauso wild, genauso animalisch war wie beim ersten Mal. Ein Sturm braute sich in ihr zusammen und peitschte sie vorwärts. Und, Gott, selbst auf die Gefahr hin, dass sie am Ende geschunden und zerschlagen am Boden liegen würde, wollte sie noch höher hinaus.
Und zwar hier und jetzt. Welche Bedeutung hatte es, wo sie sich befanden, wer sie waren oder weshalb ihr ihr Verlangen so verzweifelt richtig vorkam?
Die plötzliche Zärtlichkeit, mit der seine Lippen über ihre Schläfe und in ihre Haare glitten, machte sie vollkommen schwach. Und rief die alte Vorsicht in ihrem Herzen wach.
»Falls solche Aktivitäten unter einem Regenbogen wirklich Glück bringen«, sagte sie mit leiser Stimme, »dann haben wir beide sicher bis an unser Lebensende nie mehr das geringste Pech.«
Er konnte weder lachen noch mit einem eigenen Scherz auf ihre Worte reagieren. In der Hülle des einfachen Verlangens erwachten tief in seinem Inneren andere, kompliziertere Gefühle. »Wie oft hat ein Kuss solche Gefühle in dir wachgerufen?«
Ehe sie etwas erwidern konnte, ließ er ihre Hände los, umfasste ihre Schultern und schob sie so weit von sich fort, dass er ihr in die Augen sehen konnte. »Gib mir eine ehrliche Antwort. Wie oft hat ein Kuss solche Gefühle in dir wachgerufen?«
Sie hätte lügen können. Sie wusste, sie hatte zum Lügen einiges Talent, aber nur, wenn es nicht weiter wichtig war. Sein Blick war intensiv, direkt und, wie sie dachte, auch ein bisschen zornig. Was ihm ganz sicher nicht zu verdenken war. »Ich kann nicht behaupten, dass es
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