Kinder des Sturms
hat.«
»Das ist eine harte Formulierung.«
»Er war ein harter Mann.«
»Was er für seinen Bruder oder für seine gesamte Familie empfunden hat, hat er für sich behalten. Ich habe nie versucht, diesbezüglich in ihn zu dringen. Was für einen Sinn hätte das schon gehabt? Ich wusste, er würde mir nie erzählen, was er wirklich fühlte oder weshalb er aus Irland fortgegangen war.« In Dennis’ Stimme lag eine leichte Müdigkeit, eine vage Frustration.
»Tut mir Leid. Ich hätte nicht auf das Thema zu sprechen kommen sollen.«
»Nein, es wäre dumm, nicht davon zu sprechen. Schließlich ginge es dir, da du jetzt dort bist, trotzdem durch den Kopf. Ich denke – zurückblickend denke ich, dass er entschlossen war, ein Amerikaner zu sein und mich zu einem Amerikaner zu erziehen. Dies hier ist das Land, in dem er sich einen Namen machen wollte. Hier in New York konnte er er selbst sein.«
Ein kalter, harter Mann, der seinen Geschäftsbüchern mehr Beachtung geschenkt hatte als seiner eigenen Familie. Aber Trevor fand es sinnlos, dies gegenüber seinem Vater zu erwähnen, der seinen Großvater schließlich von ihnen allen am besten gekannt hatte.
»Und was hast du selbst gefunden, als du hierher zurückkamst?« , fragte er stattdessen.
»Eine wunderbare Landschaft, liebenswerte Menschen, eine gewisse Rührung, eine stärkere Bindung, als ich erwartet hatte.«
»Ja, genau. Genau das ist es.«
»Ich hatte immer die Absicht, noch einmal hinzufahren, aber irgendwie kam immer was dazwischen. Und ehrlich gesagt, bin ich einfach durch und durch ein Städter. Eine Woche auf dem Land, und ich werde nervös. Du und deine Mutter, ihr hattet schon immer eine Vorliebe für das Rustikale, aber
ländlicher als in irgendeinem Vorort von New York muss es für mich nicht werden. Grinse nicht, Carolyn«, tadelte er milde. »Das ist unhöflich.«
Trevor blickte nochmals aus dem Fenster. »Das hier ist tatsächlich etwas völlig anderes als ein New Yorker Vorort.«
»Allerdings. Ein paar Wochen in dem Cottage, das du angemietet hast, und du könntest mich irgendwo einliefern. Eine malerische Umgebung hat für mich auf Dauer einfach keinen Reiz.«
»Aber trotzdem warst du hier, trotzdem hast du Maude Fitzgerald besucht.«
»Ja. Himmel, das muss inzwischen fünfunddreißig Jahre her sein. Sie hat damals gar nicht so furchtbar alt auf mich gewirkt, aber sie muss schon weit über siebzig gewesen sein. Ich erinnere mich an sie als an eine durchaus elegante Frau. Sie hatte nichts von dem alten Hutzelweibchen, als dass ich oberflächlicher Kerl sie mir vorgestellt hatte. Sie hat mich mit Tee und Kuchen bewirtet und mir ein altes Foto von meinem Onkel John gezeigt. Es stand in einem brauen Lederrahmen. Das weiß ich noch, weil es mich an das Lied – wie hieß es noch gleich? – ›Willie MacBride‹ erinnert hat. Und dann ist sie mit mir zu seinem Grab spaziert. Es liegt auf dem Hügel in der Nähe der Ruinen und des Rundturms.«
»Dort bin ich noch nicht gewesen. Aber ich gehe ganz sicher irgendwann noch hin.«
»Worüber wir gesprochen haben, weiß ich nicht mehr genau. Schließlich ist es schon so lange her. Aber an eines erinnere ich mich, weil es mir damals so seltsam erschien. Wir standen über Johnnies Grab, und sie nahm meine Hand und sagte, der Sohn, den ich mal haben würde, würde eines Tages nach Ardmore zurückkommen und dort eine Veränderung bewirken, auf die ich stolz wäre. Ich nehme an, sie sprach von dir. Die Leute haben behauptet, sie sei eine Seherin. Nur ich habe nie an solcherlei Dinge geglaubt.«
»Wenn man erst mal hier ist, fängt man an, alles Mögliche zu glauben.«
»Da kann ich dir nicht widersprechen. Während meines Aufenthalts bin ich eines Abends noch an den Strand gegangen. Ich hätte schwören können, dass ich leise Flötenklänge hörte und einen Mann auf einem weißen Pferd durch den Himmel reiten sah. Natürlich hatte ich vorher ein paar Pints im Gallagher’s getrunken.«
Noch während sein Vater lachte, rann Trevor ein eisiger Schauder über den Rücken. »Und wie sah er aus?«
»Der Pub?«
»Nein, der Mann auf dem Pferd.«
»Es war nichts weiter als die Halluzination eines Betrunkenen. Hörst du, jetzt lacht mich deine Mutter aus«, murmelte Dennis, und durch die Telefonleitung hörte Trevor das fröhliche Gelächter seiner Mutter.
»Dann lasse ich euch jetzt am besten in Ruhe weiter frühstücken.«
»Nimm dir etwas Zeit und amüsier dich, solange du in Irland bist. Schick
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