Kinder des Sturms
warmen Licht der Sonne, und das sommerblaue Meer, auf dessen kleinen Wellen weiße Schaumkronen blitzten, schimmerte wie seidiger Satin.
Saftige grüne Hügel, fruchtbare braune Erde und gedämpfte goldfarbene Felder verwoben sich miteinander zu einem hübschen Quilt, an dessen weit entferntem Ende sich der schemenhafte Schatten der blauen Gebirgskette erhob.
Noch während Trevor das alles betrachtete, änderte sich das Licht, und er konnte sehen, wie über der Landschaft plötzlich die Schatten heller Wolken schwammen, die das Sonnenlicht kraftvoll glitzernd durchbrach.
Die Luft roch nach Gras, verwelkenden Blumen und dem Salz des Meeres.
Sicher war es nicht allein die Schönheit dieses Landes, die die Eroberer hierher gezogen hatte. Doch gewiss war dies einer der Gründe, weshalb derart vehement ein Bleiberecht von ihnen erstritten worden war.
»In diesem Land absorbieren wir die Eroberer und machen sie zu einem Teil von uns.«
In der Erwartung, einen irischen Touristen oder einen der Einheimischen hinter sich zu sehen, drehte sich Trevor um. Stattdessen blickte er in die wilden blauen Augen des Feenprinzen Carrick.
»Sie kommen ganz schön rum.« Einigermaßen überrascht bemerkte Trevor, dass er von dem halben Dutzend Menschen, die noch einen Augenblick zuvor den Hügel erkundet hatten, niemanden mehr sah. Sie beide waren demnach vollkommen allein.
»Ich bin lieber ungestört«, erklärte Carrick und zwinkerte. »Und wie steht es mit dir?«
»Es ist schwer für mich, ungestört zu sein, wenn Sie ganz nach Belieben einfach in meiner Nähe auftauchen.«
»Ich wollte mit dir reden. Wie kommst du mit dem Bau des Theaters voran?«
»Bisher verläuft alles genau nach Zeitplan.«
»Ah, Ihr Yankees wart schon immer große Planer. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele von euch hier durchkommen, auf ihre Uhren und auf ihre Landkarten schauen und überlegen, wie sie dies und das und vieles andere machen können, ohne dass dabei ihr Zeitplan durcheinander kommt. Man sollte meinen, dass sie solche Dinge zumindest im Urlaub vergessen, aber alte Gewohnheiten sterben anscheinend wirklich langsam.«
Trevor vergrub die Hände in den Taschen. »Dann wollten Sie also darüber mit mir reden, dass wir Amerikaner die Angewohnheit haben, regelmäßig auf die Uhr zu sehen?«
»Das war eher Teil des höflichen Vorgeplänkels. Falls du die Ruhestätte deines Onkels sehen möchtest – sie liegt dort drüben.« Carrick drehte sich um und spazierte mit blitzendem Doublet über den unebenen Boden.
»John Magee«, begann er zu lesen, als Trevor neben ihm vor den alten Grabstein trat, »geliebter Sohn und Bruder. Starb weit von der Heimat als Soldat.«
Trevor verspürte einen leichten Schmerz, wie entfernte Trauer. »Geliebter Sohn, das war ganz sicher richtig. Ob er jedoch auch der geliebte Bruder war, sei dahingestellt.«
»Du denkst an deinen Großvater. Er kam nur selten hierher, aber er kam.«
»Ach ja?«
»Allerdings, und dann stand er ebenso wie du hier vor dem Grabstein, hat die Stirn gerunzelt und dunkle, wirre Gedanken gehegt. Und weil diese Gedanken ihm Probleme machten, verschloss er sein Herz. Es war, als ob er bewusst einen Schlüssel in einem Schloss herumgedreht hätte.«
»Ja«, murmelte Trevor. »Das kann ich mir vorstellen. Soweit ich mich entsinne, hat er nie etwas Unüberlegtes getan.«
»In gewisser Hinsicht bist du ganz genauso.« Carrick wartete, bis Trevor seinen Kopf hob und ihm ins Gesicht sah. »Aber ist es nicht interessant, dass er, der Vater deines Vaters, wenn er auf diesem Hügel stand und auf sein Zuhause blickte, nicht dasselbe sah wie du? Er sah keinen liebreizenden, magischen, einladenden Flecken Erde, sondern eine Falle, der er so unbedingt entkommen wollte, dass er sich sogar ein Bein abgenagt hätte.«
Carrick drehte sich um und blickte abermals hinunter auf das Dorf. Seine schwarzen Haare fielen wie ein dichter Umhang über seine breiten Schultern. »Vielleicht hat er das sinngemäß sogar getan. Hat einen Teil von sich selbst dafür aufgegeben, um nach Amerika zu hinken. Aber wenn er das nicht getan hätte, würdest du heute nicht hier stehen, hinunterblicken und sehen, was er nicht sehen konnte.«
»Oder wollte«, verbesserte ihn Trevor. »Aber Sie haben Recht. Ohne ihn wäre ich nicht hier. Sagen Sie, wer legt nach all den Jahren immer noch frische Blumen auf das Grab von John Magee?«
»Ich.« Carrick winkte in Richtung des kleinen Topfs mit Fuchsien. »Maude ist dazu
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