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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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ob sie, die die Tiefen beherrscht, etwas von eurem Volk weiß.«
    »Dann, Bengta«, sagte Eyjan leise, »mußt du über deine eigene Zukunft und die deines Kindes eine Entscheidung fällen.«
    Haakons Tochter machte sich von ihr los. Die Tränen hatten Rinnen durch den Ruß auf ihrem Gesicht gezogen; die Haut leuchtete hell wie Weißdornblüten. Aber sie weinte nicht mehr, sie hielt den Kopf hoch erhoben, ihr Norwegisch klang wie eine Glocke: »Das habe ich letztes Jahr getan, als ich für uns beide Minik wählte.«
    Die Besucher betrachteten sie erstaunt. Sie ballte die Fäuste und erwiderte ihren Blick. Schweigen senkte sich auf die Inuit herab.
    »Ja«, sagte sie. »Habt ihr gemeint, er habe mich der Lust wegen entführt? Niemals würde er eine Frau zwingen oder täuschen; er weiß gar nicht, wie man das macht. Und wir waren einmal Spielgefährten. Er hätte Hallfrid und mich zu meinem Vater gebracht. Ich bat ihn, es nicht zu tun, und aus Erbarmen gab er nach. Aus Erbarmen! Er hatte bereits eine gute und tüchtige Frau – und sie hieß mich ebenfalls willkommen. Wenige Inuit wollen zwei Frauen, weil sie sich notfalls eine leihen können. Ich denke, ihr aus dem Feenreich versteht, daß das eine saubere Hilfe unter Freunden ist. Ich? Ich verstand mich auf keine der vielen Künste, die eine InukFrau beherrschen muß. Ich konnte nur schwören, ich wolle versuchen, sie zu erlernen. Gebt mir Zeit, und ich hoffe, daß ich ihm eines Tages keine Last mehr sein werde.«
    »Dann liebst du ihn?« murmelte Eyjan.
    »Nicht so, wie ich Sven liebte«, erwiderte Bengta. »Aber Minik liebe ich auf andere Weise – für das, was er ist.«
    Es war nicht klar, wie gut ihr Mann dem Wasserfall von Worten hatte folgen können. Doch er errötete und sah auf verschämte Weise erfreut aus.
    »Meine Hoffnung und die Hallfrids liegt bei ihm«, fuhr Bengta fort. »Wo sonst ist Hoffnung für uns? Ich habe mit diesen Leuten mein ganzes Leben gesprochen, jede Stunde, die es mir möglich war. Wie euch ist auch mir klargeworden, daß der Fimbul-Winter auf dem Weg ist. Sie haben mir erzählt, wie sie Jahr für Jahr die Gletscher größer werden sehen, und das Meer friert jedes Jahr früher und taut später auf. Als ich endlich in einem schlechtgebauten Haus saß, ohne Feuer, zusammen mit drei Leichen, und mein Kind, schwach vor Hunger, in meinen Armen weinte, war ich überzeugt, wir müßten sterben. Wir in Vestri Bygd konnten uns an unser Elend klammern, bis es uns umbrachte, oder nach Süden ziehen, uns den beiden anderen Siedlungen – wenn die Bewohner aushalten – anschließen und Bettler sein. Die Inuit hingegen ... Seht euch um! Sie haben etwas getan, wozu die Norweger immer zu stur sein werden, sie haben gelernt, wie man in diesem Land leben kann, das schließlich meine Heimat ist – und gut leben kann
    Wenn du an meiner Stelle wärst, Eyjan, hättest du nicht freudig die Gelegenheit ergriffen, dich ihnen anzuschließen?«
    »Natürlich«, antwortete Eyjan. »Aber ich bin auch keine Christin.«
    »Was bedeutet mir die Kirche?« rief Bengta. »Das Gefasel eines zittrigen Dummkopfes. Ich nehme das Risiko der Höllenflammen aof mich, ich, die ich durch das Eis der Hölle gegangen bin.«
    Ihr Stolz fiel von ihr ab. Plötzlich bedeckte sie die Augen und stöhnte: »Aber daß ich den Tod meines Vaters verschuldet habe ... dafür werde ich lange Buße tun.«
    »Warum?« fragte Eyjan. »Als du davonliefst, überfiel er unschuldige und hilflose Leute. Ich zweifle, ob du je geahnt hast, daß dieser strenge Mann eine so heftige Liebe für dich empfand. Als die Bluttat geschehen war – hatten die Verwandten der Erschlagenen da nicht das Recht, Rache zu nehmen und der Bedrohung ein Ende zu bereiten?«
    »Der Tupilak war mein Werk!« schrie Bengta. »Mir ist das eingefallen, als sie mich, um Frieden zu haben, zurückschicken wollten. Ich habe Panigpak zugesetzt, bis er ihn machte. Ich war es!«
    Sie sank auf die Knie. »Ich habe ihm und allen anderen gesagt ... was sie auch täten, das Kämpfen und Töten werde mit den schlechter werdenden Jahren immer schlimmer werden, solange die Norweger im Land blieben ... aber wenn wir sie vertrieben, auch wenn es einigen von ihnen das Leben kostete – auch für diese würde es eine Gnade sein –, und ich glaubte es! Heilige Maria, Mutter Gottes, bezeuge, daß ich es geglaubt habe!«
    Eyjan hob sie auf und nahm sie von neuem in die Arme. Tauno sagte langsam: »Ich verstehe. Du wolltest, daß deine Verwandten,

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