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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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sog scharf die Luft ein. Mit den Händen umklammerte sie die Knie. »Die Schwestern ... sind ... freundlich. Ich ... lerne viel ...« Ingeborg nickte. »Aber Ihr teilt Taunos Blut.«
    »Ich sollte bleiben. Mutter Ellin sagt, ich muß!«
    »Solche, die im Rang über ihr stehen, sagen, Ihr braucht es nicht«, erinnerte Niels sie.
    »Oh, ich hätte so gern Kinder ...« Die leichte Gestalt beugte sich vor und weinte.
    Ingeborg versuchte, sie zu umarmen. Margrete entzog sich ihr, stand auf, wich an eine Säule zurück und schlang die Arme um den Stein. Schluchzen schüttelte sie. Der Mann und die Frau warteten.
    Schließlich wandte die Jungfrau sich um. Immer noch schluchzte sie hin und wieder auf, aber sie hatte eine innere Ruhe gewonnen. Sie sprach: »Ich muß darum beten, recht geführt zu werden, aber ich glaube, ich werde gehen. Doch am besten wird es sein, nicht mit Euch. Könnt Ihr mir eine andere Begleitung für ... oh ... nächste Woche besorgen?«
    »Wir können solange in Viborg bleiben«, bot Niels an.
    Margrete stand steif vor ihnen und preßte heraus: »Nein, bitte nicht. Ich darf Euch beide nicht öfter sehen, als unbedingt notwendig ist. Denn ich bin ein lebendes Zeichen von Gottes Gnade, und Ihr – ich habe von Eurem Lebenswandel gehört – oh, bessert ihn, heiratet! Meidet auch diese Halbblutwesen, Eures Seelenheils wegen, falls Ihr sie nicht dazu bewegen könnt, sich taufen zu lassen. Aber ich glaube nicht, daß Ihr das könnt, und ja, sie waren sehr gut zu mir, ich werde für sie beten, wenn der Priester es mir erlaubt – aber Christenmenschen dürfen keinen Umgang mit Unreinheit und seelenlosen Dingen aus dem Heidentum haben, nicht wahr?«
     
     

Viertes Buch
Die Villa
     
     

1
    Panigpak sagte, sie müßten warten, bis Schnee gefallen sei und Iglus gebaut werden könnten. Diese Zeit kam bald. Während dreier Nächte und des kurzen Hellerwerdens dazwischen, das die Tage waren, fastete der Angakok. Danach ging er allein in die Berge, während die Männer ein großes Haus bauten, in dem alle Platz finden würden. Sie verkleideten es mit den Häuten, aus denen die Zelte bestanden hatten, aber auf ein Sims gegenüber dem Eingang legten sie ein Bärenfell.
    Als sich das Volk nach dem Dunkelwerden dort versammelt hatte, wurde Panigpaks Name dreimal gerufen, bevor er eintrat. »Warum seid ihr hier?« fragte er. »Diese Person kann euch nicht helfen. Ich hin nur ein alter Narr und Lügner. Nun, wenn ihr es so haben wollt, will ich versuchen, euch mit meinen dummen kleinen Tricks die Augen zu verblenden.«
    Er trat an das Sims und zog sich nackt aus. Die anderen hatten sich bereits bis zum Gürtel oder ganz entblößt, denn die Hitze in dem Iglu war erstickend. Lampen ließen den Schweiß schimmern, die Augen glitzern; das Geräusch des Atmens hörte sich wie eine Brandung an. Panigpak setzte sich, und ein Mann namens Ulagatok band seine Arme und Beine mit Lederriemen zusammen, die ins Fleisch schnitten. Panigpak stöhnte vor Schmerz, äußerte aber sonst kein Wort.
    Der Helfer legte eine Trommel und eine getrocknete Seehundshaut nahebei, ehe er zu der Menge auf dem Fußboden zurückkehrte. »Löscht die Lampen«, sagte er. »Bleibt, wo ihr seid, was auch geschehen mag. Jetzt zu ihm zu gehen, bedeutet den Tod.«
    Finsternis hüllte sie ein. Nur ein winziges Flämmchen brannte, das den Angakok jedoch nicht sichtbar machte. Er begann zu singen, eine hohe, rhythmische Weise, lauter und lauter. Die Trommel dröhnte, die trockene Haut rasselte – Geräusche, die von überall im Dunkel kamen, manchmal von hier, manchmal von dort, manchmal von irgendwoher, über ihren Köpfen, manchmal aus dem Boden heraus. Nach und nach stimmten die Versammelten mit ein. Der Gesang ergriff Besitz von ihnen, sie verloren sich darin, schwankten hin und her, wanden sich in wirrem Durcheinander, sprachen mit Zungen, heulten und kreischten. Der Wahnsinn ergriff auch Tauno und Eyjan, bis selbst sie mit ihren Feenaugen nicht erkennen konnten, wann oder wie Panigpak verschwand.
    Er war fort. Der Gesang ging weiter, endlos wie die Winternacht. Die Inuit waren neben sich, außer sich.
    Jetzt, sagte ihnen ihr Glaube, schwamm der Angakok durch die Felsen zur Unterwelt und unter dem Wasser hinaus. Er durchquerte das Reich der Toten; er überwand einen Abgrund, in dem sich in Ewigkeit eine Scheibe aus Eis drehte und ein Kessel voller Seehunde kochte; er kam an einem Wachhund vorbei, größer als ein Bär, der bellte und nach ihm

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