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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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Schon früh hatten christliche Priester mit Glocke, Buch und Kerze alle Wesen des Heidentums von dort vertrieben.
    Aber gerade unterhalb dieser Insel liegt das Inselchen Hornfiskrön, wie ein Walkalb sich an seine Mutter schmiegt. Es ist kaum mehr als ein Riff, mißt vom einen Ende zum anderen etwa eine halbe Seemeile, und doch ist es dünn mit Heidekraut bewachsen. Nie hatte hier jemand gelebt oder daran gedacht, die Unheiligkeit auszutreiben. Es schwebte noch genug von den älteren Mächten der Meeresgötter um diesen Ort, daß sich das Seevolk vom Süden her nähern und an Land gehen konnte.
    Hierhin hatte Vanimen, der König, an einem Tag, als Regen vom Westen herangetrieben wurde, den Liri-Stamm gebracht. Sie waren längere Zeit unterwegs gewesen, als ein gesunder Erwachsener gebraucht hätte, denn sie hatten viele Kinder bei sich. Außerdem konnte eine so große Schar nicht gut während der Reise aus dem Wasser leben, und bald schwächte der Hunger alle.
    Als sie an Land wateten, fühlten sie den Wind kalt über ihre Körper streichen und die ersten stechenden Tropfen des Regens. Der Sturm heulte, kreischte und pfiff, während zu ihren Füßen stählerne Wellen mit fliegenden Mähnen tobten und grollten. Sand zischte weiß. Im Westen türmte sich Dunkelheit, durch die der Blitz Runen zeichnete; der östliche Himmel wurde von niedrigen Wolken verborgen.
    Vanimen stieg auf die höchste Düne in der Nähe – der körnige Sand verletzte die Schwimmhäute zwischen seinen Zehen – und wartete, bis seine Gefolgsleute sich niedergelassen hatten. Einen majestätischen Anblick bot er ihnen, wie er mit dem Dreizack in der Hand da stand. Er war größer als die meisten anderen und mit Muskeln bepackt unter der schneeweißen Haut. Seine Narben erinnerten daran, wie viele Jahrhunderte er schon erlebt, wie viele furchtbare Schlachten er schon geschlagen hatte. Goldenes Haar hing ihm naß bis über die Schultern herab und um ein Gesicht, das dem seines Sohnes Tauno sehr ähnlich war, nur daß der König seegrüne Augen hatte. Ruhe lag in ihnen, Kraft, Weisheit.
    Das war eine Maske, die er angelegt hatte. Sie hatten keine Hoffnung mehr, sie waren zum Untergang verurteilt. Zerbrochen von dem, was geschehen war, richteten sie in ihrem Elend die Augen auf ihn allein.
    Allein fürwahr, dachte er. Je länger er lebte, desto einsamer wurde er. Wenige aus dem Seevolk erreichten sein Alter; in Liri war es niemandem gelungen. Irgend etwas holte sie, öfter früh als spät, es sei denn, sie hatten Glück und eine außergewöhnliche Geschicklichkeit. Kein Freund aus seiner Knabenzeit war übriggeblieben, und seine erste Liebste war seit Hunderten von Jahren nur noch ein Traum. Eine kurze Zeit lang hatte er zu glauben gewagt, mit Agnete hätte er das gefunden, was die Sterblichen Glückseligkeit nennen. Er hatte genau gewußt, daß es nur einen Augenblick an Zeit dauern konnte, bis ihr Fleisch verwelkte und sie dorthin ging, wohin die Menschen gehen mochten. Er hatte sich ausgemalt, ihre Kinder würden ihm ein Maß an Freude schenken. (Oh, vielleicht am bittersten von allem war, daß er die Gräber der drei, die gestorben waren, nicht mehr pflegen konnte.) Tauno, in dem sich die Begabung zum Barden, deren Ansätze sich schon beim Vater zeigten, voll entwickelt hatte; Eyjans gesunde Schönheit; die Hoffnung, die Kennin gab; Yria, voller Vertrauen, im Aussehen ihrer Mutter so ähnlich – aber sie waren fort, zurückgelassen worden, und konnten sie denn die weiten Meere absuchen, um sich dem Stamm und dem Vater wieder anzuschließen?
    Er durfte nicht schwach werden, erinnerte Vanimen sich. Als sei es eine körperliche Anstrengung, schob er sein Leid beiseite und wandte die Aufmerksamkeit seinem Volk zu.
    Es waren ungefähr sieben mal zwanzig, sah er. Vielleicht war es das erste Mal, daß sich irgend jemand die Mühe machte, sie zu zählen, und selbst heute war er der einzige, der daran dachte. Sein langes Leben und das ständig anwachsende Gewicht der Erfahrung sowie des Nachdenkens über diese Erfahrungen hatte ihn der Unkompliziertheit beraubt, die seiner Rasse zu eigen war, und ihm einen Geist verliehen, der grübeln konnte wie der eines Menschen.
    Mehr als die Hälfte der Versammelten waren Kinder. (Und was die Kinder betraf, so waren mehrere auf der Flucht hierher gestorben.) Sie drängten sich um ihre Mütter – ein Säugling an einer Brust, ein Krabbelkind, das die Mutter vor dem Unwetter abzuschirmen versuchte, ein Kleines, dessen

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