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Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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einer norwegischen oder schwedischen Küste zerschellte, wo sie sowieso niemand kannte. Inzwischen würde ein grauer Seehund auf Sule Skerry zuschwimmen.
    Sie umarmte ihn und dachte überhaupt nicht an den Fischgeruch, der an ihrem Kleid haftenblieb. »Werde ich dich jemals wiedersehen?« fragte sie unter Tränen.
    Überraschung malte sich auf den schweren Gesichtszügen, durchzitterte den mächtigen, zottigen Körper. »Ja, Mädchen, warum möchtest du denn das?«
    »Weil du ... du gut bist«, stammelte sie. »Freundlich, rücksichtsvoll ... Wieviel Rücksicht gibt es denn in dieser Welt ... oder der nächsten?«
    »Was für ein Narr ist dieses Halbblut«, seufzte Hauau. »Nein, Ingeborg, das Meer wird uns trennen.«
    »Du könntest irgendwann zurückkommen. Wenn alles gutgeht – dann könnte ich mir eine Insel oder ein Stück Strand kaufen, um darauf zu wohnen ...«
    Er umfaßte ihre Taille und sah ihr lange in die Augen. »Bist du so einsam?«
    »Du bist es.«
    »Und du glaubst, wir könnten zusammen ...« Er schüttelte den Kopf. »Nein, meine Freude. Du hast dein eigenes Geschick, ich habe meins.«
    »Aber bis es soweit ist ...«
    »Nein, habe ich gesagt.« Er verstummte. Nebelfetzen flogen vorbei, das Wasser murmelte.
    Endlich erklärte er langsam, als sei jedes Wort eine Bürde: »Was ich an dir liebe, ist deine sterbliche Weiblichkeit. Aber mein Zweites Gesicht ... ich erkenne nichts deutlich, denn noch ist alles verwischt ... ganz plötzlich bekomme ich Angst vor dir. Solche Fremdartigkeit bläst der Wind aus deinem Morgen heraus.«
    Er ließ sie los und trat zurück. »Vergiß mich«, brummte er, die Handflächen wie zur Verteidigung erhoben. »Ich hätte nicht sprechen sollen. Lebewohl, Ingeborg.« Er drehte sich um und schritt weg von ihr.
    »Wenn ich meinen Sohn zeuge«, rief er durch einen vorbeitreibenden Nebelvorhang, »werde ich an dich denken.«
    Sie hörte ihn hinauswaten. Sie hörte ihn schwimmen. Als der Nebel sich hob, war das Schiff am Horizont.
    Ein richtiges Abschiednehmen konnte es nicht geben. Alle hatten, je zwei und zwei, getan, was ihnen möglich war, bevor der Anker fiel. Niels und Ingeborg blickten nach Norden, bis die letzte Spur ihrer Liebsten zwischen den Wellen verschwunden war. Der Himmel war frei; vom Westen her ließen Sonnenstrahlen das Wasser gleißen. In der Ferne hoben sich die schwarzen Schwingen eines Zugs Kormorane vorn Blau ab.
    Niels schüttelte sich. »Wenn wir Alsen vor dem Dunkelwerden erreichen wollen«, sagte er, »sollten wir jetzt lieber gehen.«
    Es bedeutete, daß sie diese Nacht in Ingeborgs Hütte schlafen mußten. Wenn sie während ihrer Abwesenheit niedergerissen worden war, würde Vater Knud vielleicht sein Dach mit ihnen teilen. Am Morgen mußten sie sich der irdischen Welt stellen, aber das sollte wenigstens unter Leuten beginnen, die sie kannten.
    Ingeborg fiel mit ihm in den gleichen Schritt. Sand knirschte unter den Füßen. »Denke dran«, mahnte sie, »laß mich anfangs das Reden zum größten Teil übernehmen. Du bist es nicht gewohnt zu lügen.«
    Er verzog das Gesicht. »Besonders dann nicht, wenn ich Menschen belügen soll, die mir vertrauen.«
    »Wohingegen eine Hure treulos ist.«
    So bitter klang ihre Stimme, daß er stehenblieb und ihr – steif, denn er war müde – den Kopf zuwandte. Sie blickte unverwandt nach unten auf den Weg. »Ich habe es nicht böse gemeint«, erklärte er verlegen.
    »Ich weiß«, antwortete sie tonlos. »Aber hüte deine Zunge, bis du aus dem Traum, der dich immer noch in seiner Gewalt hat, erwacht und wieder bei klarem Verstand bist.«
    Er errötete. »Ja, Eyjan fehlt mir. Das ist ein Verlust, der unter die
    Haut geht. Aber ... oh ...«
    Das machte sie weich. Sie streichelte ihm im Gehen über das Haar und meinte freundlich: »Später wirst du als der Mann von uns beiden die Führung übernehmen. Es ist nur, daß ich Männer in Hadsund kenne, von denen ich glaube, daß sie uns für ein bißchen Gold helfen werden, ohne zu viele Fragen zu stellen ... und uns etwas über Männer mit Macht erzählen können, an die wir uns als nächstes wenden. Das haben wir alles schon besprochen.
    »So ist es.«
    »Trotzdem müssen wir uns vergewissern, daß wir uns richtig verstanden haben, du und ich.« Ihr Lachen klang spröde. »Hat es im Feenreich je eine fremdländischere Sache gegeben als unser Vorhaben?«
    Sie wanderten weiter nach Süden.
     
     

Drittes Buch
Der Tupilak
     
     

1
    Ein paar Seemeilen von der

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