Kinder des Wassermanns
Königin sich hätte wünschen mögen. „Oh, Vater, ich hätte nie gedacht …“ Sie weinte. Eyjan umarmte und tröstete sie.
Minik hatte dem Gespräch zugehört. Unbeholfen klopfte er ihre Schulter. „Entschuldigt sie“, sagte er in seiner eigenen Sprache. „Sie ist … nicht so bewandert im richtigen Benehmen … wie jemand hofft, daß sie es zu angemessener Zeit sein wird. Kuyapikasit, meine erste Frau, wird für euch Essen kochen und Bettzeug ausrollen.“ Er lächelte, verhalten, weil er ihretwegen Kummer empfand.
Panigpak, der Angakok, trat ebenfalls aus dem Kreis der Zuschauer hervor. Beunruhigung lag auf seinem verrunzelten Gesicht. „Jemand glaubt, er habe etwas über einen Tupilak gehört“, begann er das Gespräch. Auch wenn Tauno hoch über ihn emporragte, waren Blick und Haltung des Schamanen ruhig.
„Du hast richtig gehört“, erwiderte Tauno. Er und Eyjan hatten sich vorher überlegt, was sie den Inuit sagen wollten. So berichtete er jetzt kurz und bündig von dem Kampf.
Entsetztes Stimmengewirr erhob sich unter den Leuten. Panigpak war am schlimmsten getroffen. „Ich bin ein Narr“, stöhnte er. „Ich habe diese Gefahr über dich gebracht, der du uns nie ein Leid angetan hast.“
„Wer konnte es vorhersehen?“ tröstete Tauno ihn. „Und, höre, da ist noch mehr.
Als wir zurückkehrten, sandte Jonas Haakonssohn seine Knechte aus, um die Männer von Vestri Bygd zu einem Thing zusammenzurufen, einem Treffen, wo Entscheidungen gefällt werden. Er hatte meine Schwester angehört, als sie ihm Rat gab, und sprach nun, wie sie vorgeschlagen hatte. Die übrigen hörten auf mich. Wir flößten ihnen Angst ein, verstehst du, auch wenn sie glaubten, wir seien von der Großen Natur …“ – das war der Begriff der Inuit, der dem Wort „Gott“ am nächsten kam – „… zu ihrer Rettung geschickt worden.“
Tauno fuhr fort: „Wir erkannten bald, daß hauptsächlich Haakons Führereigenschaften sie veranlaßt hatten, an jenem Ort zu bleiben. Sie schlugen unsere Warnung nicht in den Wind. Wir hatten nämlich von weisen Meeresbewohnern gehört, daß dieses Land immer ungeeigneter für sie werden wird, bis diejenigen, die dort bleiben, verhungern müssen.
Sie erklärten sich dafür, nach dem Süden zu ziehen. Sie alle. Dazu müssen sie als erstes die Gewißheit haben, daß ihre Boote nicht angegriffen werden. Diesen Auftrag haben meine Schwester und ich erhalten: euer Versprechen einzuholen, daß ihr ihnen im Sommer den Weg freigebt. Danach gehört das ganze nördliche Land euch.“
Die Leute brüllten, tanzten, sprangen umher, und doch schienen sie eher aufgeregt als fröhlich zu sein und fröhlich eher aus dem Grund, daß die Fehde beendet war, als daß sie den Sieg davongetragen hatten. „Ich will, ich will!“ schluchzte Panigpak. „Ja, mein Sendung wird so bald wie möglich aufbrechen, um mit Sedna um ruhiges Wetter und viele Fische zu verhandeln. Und mein Sendung wird ebenfalls fragen, ob sie, die die Tiefen beherrscht, etwas von eurem Volk weiß.“
„Dann, Bengta“, sagte Eyjan leise, „mußt du über deine eigene Zukunft und die deines Kindes eine Entscheidung fällen.“
Haakons Tochter machte sich von ihr los. Die Tränen hatten Rinnen durch den Ruß auf ihrem Gesicht gezogen; die Haut leuchtete hell wie Weißdornblüten. Aber sie weinte nicht mehr, sie hielt den Kopf hoch erhoben, ihr Norwegisch klang wie eine Glocke: „Das habe ich letztes Jahr getan, als ich für uns beide Minik wählte.“
Die Besucher betrachteten sie erstaunt. Sie ballte die Fäuste und erwiderte ihren Blick. Schweigen senkte sich auf die Inuit herab.
„Ja“, sagte sie. „Habt ihr gemeint, er habe mich der Lust wegen entführt? Niemals würde er eine Frau zwingen oder täuschen; er weiß gar nicht, wie man das macht. Und wir waren einmal Spielgefährten. Er hätte Hallfrid und mich zu meinem Vater gebracht. Ich bat ihn, es nicht zu tun, und aus Erbarmen gab er nach. Aus Erbarmen! Er hatte bereits eine gute und tüchtige Frau – und sie hieß mich ebenfalls willkommen. Wenige Inuit wollen zwei Frauen, weil sie sich notfalls eine leihen können. Ich denke, ihr aus dem Feenreich versteht, daß das eine saubere Hilfe unter Freunden ist. Ich? Ich verstand mich auf keine der vielen Künste, die eine Inuk-Frau beherrschen muß. Ich konnte nur schwören, ich wolle versuchen, sie zu erlernen. Gebt mir Zeit, und ich hoffe, daß ich ihm eines Tages keine Last mehr sein werde.“
„Dann liebst du
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