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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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haben nicht einmal ein Schiff.“
    Ingeborg lächelte traurig und strich mit den Fingern über seinen Arm. „Kein Mann gewinnt jedes Spiel“, murmelte sie. „Du hast getan, was du konntest. Laß deine Schwester sechzig Jahre damit verbringen, ihr Fleisch zu verleugnen, und danach die Ewigkeit mit der Entfaltung ihrer Seele. Vielleicht erinnert sie sich an uns, wenn du zu Staub geworden bist und ich brenne.“
    Tauno schüttelte den Kopf. Er kniff die Augen zusammen. „Nein … Sie ist mit mir vom gleichen Blut … das ist kein ruhiges Blut … Sie ist scheu und sanft, aber sie wurde für die Freiheit der weiten Weltmeere geboren … Wenn die Heiligkeit in ihr bei einem Leben unter alten Jungfern mit Haaren am Kinn sauer wird, welche Aussichten hat sie dann auf den Himmel?“
    „Das weiß ich nicht. Ich weiß es wirklich nicht.“
    „Also wenigstens eine freie Wahl, ohne Zwang. Um sie zu erkaufen, eine Schiffsladung Gold. Elende zwei Tonnen, um Yrias Wohlergehen zu erkaufen.“
    „Tonnen! Als soviel habe ich es mir nicht vorgestellt – bestimmt genügt weniger. Ein paar hundert Pfund sollten reichlich sein.“ Ingeborg wurde ganz aufgeregt. „Meinst du, du könntest soviel finden?“
    „Hm … warte. Warte. Ich muß mein Gedächtnis durchforschen …“ Tauno setzte sich bolzengerade auf. „Ja!“ rief er. „Ich weiß es!“
    „Wo? Wie?“
    Mit der Quecksilbrigkeit des Feenreichs begann er, Pläne zu entwerfen. „Vor langer Zeit stand auf einer Insel mitten im Ozean eine Stadt der Menschen“, berichtete er. Er sprach nicht laut, und er erschauerte, während er in die Schatten starrte. „Groß war sie und vollgestopft mit Reichtum. Ihr Gott war ein Krake. Sie warfen ihm wertvolle Opfergaben hinab – Schätze, um die er nichts gab, aber dazu auch Kühe, Pferde, verurteilte Übeltäter, und die konnte der Krake fressen. Er brauchte sich selbst nichts weiter zu fangen als hin und wieder einen Wal – oder ein Schiff, dessen Mannschaft er verschlang, und im Laufe der Jahrhunderte hatten er und seine Priester die Zeichen zu verstehen gelernt, die ihnen verrieten, daß bestimmte Schiffe auf Averorn unerwünscht waren … Der Krake wurde dadurch träge und ließ sich über mehrere Menschengenerationen nicht sehen. Es war auch nicht notwendig, denn Außenseiter wagten es nicht mehr, die Stadt anzugreifen.
    Mit der Zeit zweifelten die Inselbewohner selbst daran, ob er mehr war als nur eine Fabel. Inzwischen hatte sich auf dem Festland ein neues Volk erhoben. Dessen Händler kamen, und sie führten nicht nur Ware mit sich, sondern auch Götter, die keine teuren Opfer forderten. Die Leute von Averorn strömten diesen neuen Göttern zu. Der Tempel des Kraken stand leer, seine Feuer brannten aus, die Priester starben und wurden nicht wieder ersetzt. Schließlich befahl der König der Stadt, die Rituale nicht länger fortzuführen, durch die er seine Nahrung gefunden hatte.
    Nach einem Jahr erhob sich der Krake, fürchterlich in seinem Hunger, vom Meeresgrund, und er versenkte die Schiffe im Hafen, und mit seinen Armen langte er ins Inland, wo er Türme umwarf und Beute ergriff. Wahrscheinlich hatte er auch Gewalt über Erdbeben und Vulkane – denn die Insel wurde überflutet und ging unter und ist heute von der ganzen Menschheit vergessen.“
    „Wunderbar!“ Ingeborg klatschte in die Hände. Im Augenblick dachte sie nicht an all die kleinen Kinder, die mit der Stadt untergegangen waren. „Oh, das freut mich!“
    „So wundervoll ist es nicht“, widersprach Tauno ihr. „Das Seevolk erinnert sich an Averorn, weil der Krake dort noch immer sein Lager hat. Sie machen einen weiten Bogen um ihn.“
    „Ich … ich verstehe. Aber du mußt doch einige Hoffnung haben, wenn du …“
    „Ja. Es ist einen Versuch wert. Hör zu, Frau: Menschen können nicht unter Wasser leben. Das Seevolk hat keine Schiffe und auch keine Waffen aus Metall, das nicht in kurzer Zeit zu Rost zerfällt. Noch nie haben beide Rassen zusammengearbeitet. Wenn sie es täten – dann vielleicht …“
    Ingeborg schwieg lange Zeit, bevor sie so leise, daß es kaum zu verstehen war, sagte: „Und vielleicht würdest du getötet werden.“
    „Ja, ja. Was hat das zu bedeuten? Jeder wird geboren, um zu sterben. Meine Leute stehen füreinander ein – das müssen sie –, und ein einzelnes Leben gilt bei uns nicht viel. Wie könnte ich an das Ende der Welt reisen, wenn ich wüßte, ich hätte nicht alles in meiner Macht Stehende für meine kleine

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