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Kinder des Wassermanns

Kinder des Wassermanns

Titel: Kinder des Wassermanns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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sie ist“, flüsterte er.
    Der achte war der Kapitän. Mit finsterem Gesicht kam er unter dem Achterdeck hervor, das dem Mann am Ruder Schutz bot. (Es befand sich auch ein Deck über dem Bug, aus dem der Vormast herausragte. Das Hauptdeck erstreckte sich unter und zwischen diesen beiden mit einem Mast und zwei Luken. Hier lagen und standen das Takelwerk, ein Kochherd und das an Ladung, was oben gestapelt wurde. Darunter waren ein roter Granitblock, drei Fuß im Durchmesser und etwa eine Tonne schwer, ein Dutzend zusätzlicher Anker und viele Taue sowie einiges an Ersatzteilen.)
    Ranild schritt auf die Stelle zu, wo die Halbblutkinder und Ingeborg standen; es war an Backbord, und sie betrachteten Jütlands lange Hügel, die an ihnen vorbeiglitten. Es war ein klarer Tag; die Sonne sandte blendende Glitzerstrahlen auf die grau-grün-blauen Schaumkronen. Der Wind pfiff, das Tauwerk ächzte, das Holz knarrte, und das Bugwasser der Kogge schäumte weiß. In der Luft schrien die Möwen; wie ein Schneesturm waren ihre Flügel. Es roch nach Salz und Teer.
    „Ihr da!“ brüllte Ranild. „Zieht euch anständig an!“
    Kennin streifte ihn mit einem Blick aus dem Abneigung sprach. Die langen Stunden des Feilschens im Hinterzimmer einer üblen Kneipe waren unangenehm gewesen, und das Seevolk war nicht daran gewöhnt, eine Sprache wie die Ranilds zu führen, rauh wie die eines Luchses. „Wer bist denn du, daß du von Anstand sprichst?“ gab Ken-nin scharf zurück.
    „Laß ihn“, brummte Tauno. Er betrachtete den Skipper mit ebensowenig Liebe, doch mit mehr Kälte. Ranild war nicht groß, aber dick an Brust und Armen. Schwarzes Haar, niemals gewaschen und auf dem Schädel schon schütter, umrahmte ein grobes Gesicht mit einer gebrochenen Nase und blassen Augen, Raffzähne teilten einen Bart, der bis zur Hälfte des Faßbauches hinunterzipfelte. Er war wie seine Leute gekleidet, abgesehen davon, daß er mit einem Kurzschwert wie auch mit einem Messer bewaffnet war und ausgelatschte Stiefel trug, während sie Schuhe hatten oder barfuß gingen.
    „Was hast du?“ fragte Tauno. „Du, Ranild, trägst deine Kleider vielleicht gern so lange, bis sie dir vom Körper faulen. Warum sollten wir es tun.“
    „Herr Ranild, Wassermann!“ Der Schiffseigentümer schlug mit der Hand auf das Heft. „Meine Vorfahren waren Junker, als deine unter den Plattfischen wohnten – ich bin immer noch ein Edelmann, der Teufel soll mich holen! Das ist mein Schiff, ich habe das Geld für diese Fahrt vorgestreckt, und ihr werdet bei Gottes Gebeinen tun, was ich euch sage, oder von der Rahnock baumeln!“
    Eyjans Dolch flog aus der Scheide und schimmerte an Ranilds Gurgel. „Oder wir hängen dich an deinem Läusenest von Bart auf“, drohte sie.
    Die Seeleute langten nach Messern und Befestigungshölzern. Ingeborg schob sich zwischen Eyjan und Ranild. „Was tun wir?“ rief sie. „Gehen wir einander bereits an die Kehlen? Um das Gold zu bekommen, braucht Ihr die Meerleute, Herr Ranild, und sie brauchten Eure Hilfe. Seid friedlich, in Jesu Namen!“
    Auf beiden Seiten zogen sie sich ein wenig zurück, doch die Mienen blieben finster. Ingeborg fuhr leise fort: „Ich glaube, ich weiß, wo das Mißverständnis liegt. Herr Ranild, diese Kinder des sauberen Meers haben sich wundgescheuert an ihren Kleidern. Tagelang mußten sie sich in einer Stadt aufhalten, in deren Straßen sich die Schweine suhlen, Nacht für Nacht schliefen sie in einem Raum voller Gestank und Wanzen. Trotzdem solltet ihr, Tauno, Eyjan und Kennin, auf einen Rat hören, der gut gemeint, wenn auch nicht ebenso gut ausgedrückt ist.“
    „Und wie lautet er?“ fragte Tauno.
    Ingeborg errötete; sie senkte den Blick und verflocht die Finger ineinander. Noch leiser antwortete sie: „Denkt an die Abmachung. Herr Ranild verlangte, Eyjan sollte für ihn und seine Männer unter Deck kommen. Das wollte sie nicht. Ich sagte, ich … würde es tun, und so kam der Vertrag zustande. Nun bist du sehr schön, Eyjan, schöner als ein sterbliches Mädchen es sein kann. Es ist nicht recht von dir, wenn du deine Schönheit vor Männern zur Schau stellst, die nichts anderes tun dürfen, als dich ansehen. Unsere Reise bringt uns in tödliche Gefahr. Wir können uns einen Aufruhr nicht leisten.“
    Die Tochter des Meermanns biß sich auf die Lippe. „Das hatte ich nicht bedacht“, räumte sie ein. Dann brauste sie auf: „Aber ehe ich noch einmal diese groben Lumpen trage, obwohl ich mich nicht mehr

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