Kinder des Wassermanns
Laternen geöffnet worden.
„Glück auf den Weg“, wünschte Eyjan. Die drei umarmten sich in der Dunkelheit. Tauno schwamm davon.
Hinunter tauchte er und hinunter. Er hatte nicht gedacht, daß die Welt noch schwärzer, leerer, stiller werden könne, doch sie wurde es. Wieder und wieder betätigte er Muskeln in Brust und Bauch, um den inneren Druck dem äußeren anzugleichen. Trotzdem war es, als ob ihm das Gewicht jedes Fußes, den er tiefer im Wasser hinabsank, aufgebürdet werde.
Endlich fühlte er – wie ein Mensch in der Nacht eine Mauer vor sich fühlen mag –, daß er sich dem Grund näherte. Und er nahm einen Geruch wahr … einen Geschmack … eine Empfindung … von fischigem Fleisch. Durch das Wasser pulsierte das langsame Ein und Aus der Krakenkiemen.
Er öffnete die Laterne. Ihr Lichtstrahl war blaß und reichte nicht weit, aber er genügte seinen Feenaugen. Grauen kroch ihm das Rückgrat entlang.
Unter ihm erstreckten sich Morgen um Morgen Ruinen. Averorn war groß und ganz und gar aus Stein erbaut gewesen. Das meiste war zu formlosen Massen im Schlamm zusammengestürzt. Aber hier stand ein Turm wie ein letzter Raffzahn im Kiefer eines Toten, da ein nur teilweise zerfallener Tempel, anmutige Säulengänge um einen Gott, der hinter seinem Altar saß und blind in die Ewigkeit starrte; weiter hinten lag das gewaltige Wrack einer Burg, geisterhaft leuchtende Fische als Wachtposten auf ihren Befestigungen; auf diesem Weg mußte es zum Hafen gehen. Gekennzeichnet war er durch Hügel, die verschüttete Piere und Stadtmauern waren, und immer noch war er gedrängt voll von Galionen. Dort stand ein Haus ohne Dach, und darin versuchte das Skelett eines Mannes für immer, die Skelette einer Frau und eines Kindes zu schützen. Überall und überall waren aufgeplatzte Gewölbe und Lagerhäuser, und Gold und Edelsteine glitzerten vom Grunde des Meeres nach oben.
Und in ihrer Mitte lagerte der Krake. Acht seiner dunkelschimmernden Arme streckte er nach den Ecken der achteckigen Plaza aus, die sein Mosaikbild trug. Die beiden übrigen Arme, die längsten, zweimal so lang wie die Herning, waren an der Nordseite um eine Säule geschlungen. Sie trug an ihrer Spitze eine Scheibe mit dem Triskelion des Gottes, den er erobert hatte. Sein schrecklicher, mit Finnen versehener Kopf hing darüber. Tauno konnte eben noch den krummen Schnabel und ein schwarzes, lidloses Auge erkennen.
Der Sohn Vanimens öffnete die Blende und begann, in der Licht-losigkeit aufzusteigen. Ein Pulsieren lief durch den Ozean und drang ihm bis in die Knochen. Es war, als bebe die Welt. Er warf einen Strahl nach unten. Der Krake bewegte sich. Tauno hatte ihn geweckt.
Tauno biß die Zähne zusammen. Wild grub er Hände und Füße in das eisige, dicke Wasser. Den Schmerz, den der Druckunterschied ihm beim zu hastigen Aufsteigen bereitete, ließ er unbeachtet. Mit den Sinnen des Seevolks erkannte er, in welcher Richtung er sich bewegte. Es grollte unter ihm. Der Krake hatte sich gestreckt und gegähnt; ein Portikus war zu Stücken zerschmettert worden.
Am Rand des Tageslichts hielt Tauno an. Er ließ sich treiben und blinkte mit seiner Laterne. Ein riesiger Schatten schwoll am Meeresgrund auf.
Nun mußte er, bis Kennin und Eyjan eintrafen, am Leben bleiben – und er mußte das Ungeheuer so beschäftigen, daß es an Ort und Stelle blieb.
In der Mitte des sich erhebenden Körpers, der einer Gewitterwolke glich, sah er boshafte Augen schimmern. Der Schnabel schnappte. Ein Arm entrollte sich in Taunos Richtung. Er besaß Saugnäpfe, die einem Wal das Fleisch von den Rippen reißen konnten. Zielsicher strebte der Arm auf ihn zu, eine Windung nach der anderen. Tauno stach sein Messer bis zum Heft hinein. Als er die Klinge zurückzog, rauschte Blut hervor, und es schmeckte wie starker Essig. Der Arm peitschte ihn, und er rollte davon und überschlug sich. Es schmerzte, und sein Kopf drehte sich.
Ein zweiter Arm und noch einer faßten nach ihm. Benommen fragte er sich, wer er denn sei, daß er mit einem Gott kämpfen wollte. Irgendwie brachte er die Harpune los. Bevor er fest in dem zermalmenden Griff hing, schwamm er, so schnell er konnte, nach unten. Vielleicht gelang es ihm, dem Kraken die Harpune ins Maul zu stechen.
Ein grauenhafter Schrei ließ ihm die Sinne schwinden.
Eine Minute später kam er wieder zu sich. Seine Stirn tat weh, in seinen Ohren dröhnte es. Rings um ihn war das Wasser wild geworden. Eyjan und Kennin waren neben ihm und
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